IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1007 Abfälle aus der thermischen Silber-, Gold- und Platinmetallurgie, Stand 09.05.2012

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Allgemein

Die Edelmetallurgie weist eine vielfältige Struktur und unterschiedliche Varianten von Pyrometallurgie-Verfahren auf. In Deutschland steht die Zweitschmelze im Vordergrund, in der edelmetallhaltige Rückstände aus Industrie, Gewerbe und Haushalten aufbereitet und verwertet werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um
  • Scheidgut, d. h. direkt schmelzbares Material mit hohen Edelmetallgehalten, das kaum durch Nichtmetalle verunreinigt ist. Dazu gehören Stanz-, Guss- und Feilungsrückstände aus der Produktion, Altschmuck, Münzen, Dentalabfälle, Anodenreste.
  • Gekrätz, d. h. Material mit geringen Edelmetallgehalten, das vor dem Schmelzen mechanisch und/oder thermisch vorbehandelt wird, um eine höhere Metallkonzentration zu erhalten. Dazu gehören z. B. Bodenkehricht, Schliff-, Polier-, Filter- und Tiegelrückstände aus Industrie und Gewerbe.
  • gebrauchte edelmetallhaltige Produkte, z. B. Autokatalysatoren, gebrauchte elektrische und elektronische Produkte und Bauteile sowie silberhaltige Filme. Die Materialien durchlaufen vor dem Einschmelzen in der Regel einen mehrstufigen Aufbereitungsprozess.
  • industrielle Abfälle und Nebenprodukte der Nichteisen- und der Edelmetallindustrie, z. B. edelmetallhaltige Schlacken, Schlämme und Stäube, die vor dem Schmelzen aufbereitet werden müssen.

Für die Wahl des geeigneten Vorbehandlungs- und Schmelzverfahrens sind Art und Grad der Verunreinigung bzw. der enthaltenen Störstoffe und der spätere Verwendungszweck der Edelmetalle maßgebend. Die Anlagen reichen von kleinvolumigen Chargenöfen, z. B. in der Schmuckindustrie, bis zu hochkomplexen Anlagen großer Kapazität. In denen werden oft zusammen mit anderen Nichteisenmetallen die Edelmetalle in mehrstufigen Schmelz- und Raffinationsprozessen zurück gewonnen.

In Deutschland besitzen komplexe Großanlagen zur Edelmetallgewinnung die größte Bedeutung. Es handelt sich um Einzelanlagen, deren Abfälle nach Art und Zusammensetzung sehr unterschiedlich sind. Diese Abfälle können im Hinblick auf das technische Verfahren, die behandelten Materialien und die Zusammensetzung ggf. der Abfallgruppe 1008 "Abfälle aus sonstiger thermischer Nichteisenmetallurgie" zugeordnet werden.

100701 Schlacken (Erst- und Zweitschmelze)

Schlacken entstehen im Schmelzprozess und müssen regelmäßig von der Oberfläche des flüssigen Metallbades abgezogen werden. Hauptbestandteile der Schlacken sind, je nach Ausgangsmaterial und Zuschlagstoffen, NE-Metalloxide, Calcium- und Siliziumoxide sowie geringe Anteile der erschmolzenen Legierungen. Bei Verunreinigung des Ausgangsmaterials mit organischen Stoffen, z. B. Ölen, Fetten oder Kunststoffen, können Schlacken Kohlenstoffverbindungen enthalten.

100702 Krätzen und Abschaum (Erst- und Zweitschmelze)

Krätzen entstehen bei der Schmelze und der thermischen Raffination, wenn das flüssige Metall nicht vollständig gegen Lufteintritt geschützt werden kann. Die sich bildende feste und/oder flüssige Oxidhaut muss von Zeit zu Zeit entfernt (abgekrätzt) werden. Das nach dem Erstarren körnige bis klumpige Material besteht im Wesentlichen aus dem erschmolzenen Metall und dessen Oxiden. Durch Zuschlagstoffe lassen sich die Zusammensetzungen der Krätzen beeinflussen. Der Metallgehalt liegt allgemein > 20 %. Je nach Verunreinigung des Ausgangsmaterials können Krätzen Kohlenstoffverbindungen enthalten.

Zwischen Krätzen und Abschaum wird in der betrieblichen Praxis selten konkret unterschieden, ihre Entstehung ist jedoch verfahrensbedingt und sie unterscheiden sich in der Zusammensetzung und ihren Eigenschaften. Der Abschaum besteht überwiegend aus einer metall- bzw. metalloxidhaltigen porösen Substanz, die von der Oberfläche der Schmelze abgezogen wird. Abschaum kann, ähnlich den Krätzen, organische und anorganische Verunreinigungen enthalten, die mit dem Schmelzgut eingeschleppt wurden. Abschaum weist einen hohen Metallgehalt auf (> 50 %).

100703 Feste Abfälle aus der Abgasbehandlung

Zur Reinigung der Abgase werden zumeist trockene Verfahren eingesetzt, z. B. Gewebe- und Elektrofilter oder Adsorptionsverfahren. Die Stäube stammen aus verschiedenen Prozessstufen, überwiegend aus Schmelz-, Raffinations- und Gießprozessen. Ihre Zusammensetzung wird durch das Verfahren, das Schmelzgut und die Zuschlagstoffe beeinflusst. Neben mineralischen und organischen Anteilen, z. B. bei Verunreinigung der Ausgangsstoffe mit Ölen, Lacken oder Kunststoffen, enthalten die Stäube maßgebliche Anteile an Metallen bzw. Metalloxiden des Schmelzguts.

100704 Andere Teilchen und Staub

Dem Abfallschlüssel werden in der Praxis oftmals Abfälle zugeordnet, die nicht aus den thermischen Prozessstufen stammen und keine spezifische Herkunft haben. Hierunter fallen z. B. Stäube aus der Abluft mechanischer Vorbehandlungs- und Separationsanlagen und Kehricht. Die Zusammensetzung ist einzelfallspezifisch.

100705 Schlämme und Filterkuchen aus der Abgasbehandlung

Zum Teil werden zur Reinigung der Abgase Nassabscheider eingesetzt, z. B. bei Sinter- und Raffinationsprozessen, ggf. als zweite Stufe. Die Zusammensetzung der dabei anfallenden Schlämme und Filterkuchen ist einzelfallspezifisch. Allgemein sind, neben den bei der Behandlung des Abwassers eingesetzten Materialien (Fällungs- und Neutralisationsmittel), Metalle bzw. Metalloxide des Schmelzguts und ggf. thermische Zersetzungsprodukte der mit dem Schmelzgut eingebrachten Verunreinigungen enthalten.

100707* Ölhaltige Abfälle aus der Kühlwasserbehandlung

Werden die Kühlwässer offen zur Oberflächenkühlung eingesetzt, so werden sie häufig mit Ölen und anderen Schmierstoffen belastet und dann als Abfälle mit dem Abfallschlüssel 100707* "Ölhaltige Abfälle aus der Kühlwasserbehandlung" eingestuft.

100708 Abfälle aus der Kühlwasserbehandlung mit Ausnahme derjenigen, die unter 100707 fallen

Die zur Kühlung der Schmelz- und Zusatzaggregate sowie der Abgase (Quenchen) verwendeten Kühlwässer werden in der Regel im Kreislauf gefahren. Bei der Aufarbeitung von Rohwasser (z.B. Abtrennung von Feststoffen, Entkalkung) sowie bei der Behandlung der Kreislaufwässer (Entfernung eingetragener Verschmutzungen) fallen Filterrückstände und Schlämme an. Sie enthalten neben den als Hilfsmittel eingebrachten Stoffen (z. B. Fällungschemikalien) auch die anwendungsbedingten Verunreinigungen, z. B. Inhaltsstoffe der Abgase wie Sulfate oder Kohlenstoffverbindungen.

 

Charakteristische Zusammensetzung

Inhaltsstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
100701 Schlacken (Erst- und Zweitschmelze)
Edelmetalle gering, < 0,1 % In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Sonstige NE-Metalle gering In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Mineralische Stoffe 30 - 90 % Art und Anteil vom Verfahren abhängig, z. B. Zuschlagstoffe
Organische Verunreinigungen Art und Anteil abhängig von Verunreinigung des Schmelzguts, z . B. Zersetzungsprodukte von Kunststoffen, Lacken
100702 Krätzen und Abschaum (Erst- und Zweitschmelze)
Edelmetalle < 0,5 % In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Sonstige NE-Metalle gering In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Mineralische Stoffe 30 - 90 % Art und Anteil vom Verfahren abhängig, z. B. Zuschlagstoffe
organische Verunreinigungen Art und Anteil abhängig von Verunreinigung des Schmelzguts, z. B. Zersetzungsprodukte von Kunststoffen, Lacken
100703 feste Abfälle aus der Abgasbehandlung
Edelmetalle < 0,5 % In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Sonstige NE-Metalle In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Mineralische Stoffe 30 - 90 % Art und Anteil vom Verfahren abhängig, z. B. Zuschlagstoffe
Anorganische Verunreinigungen z. B. Sulfat
Organische Verunreinigungen Art und Anteil abhängig von Verunreinigung des Schmelzguts, z. B. Zersetzungsprodukte von Kunststoffen, Lacken
100704 andere Teilchen und Staub
Art und Anteil herkunftsspezifisch
100705 Schlämme und Filterkuchen aus der Abgasbehandlung
Edelmetalle < 0,5 % In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Sonstige NE-Metalle gering In metallischer oder oxidischer Form; Art und Anteil von Schmelzgut und Verfahren abhängig
Mineralische Stoffe 30 - 90 % Art und Anteil vom Schmelzverfahren, z. B. Zuschlagstoffe, und Behandlung des Nassschlamms abhängig, z. B. Fällung o. ä.
Organische Verunreinigungen Art und Anteil abhängig von Verunreinigung des Schmelzguts, z. B. Kunststoffe, Lacke
100707* ölhaltige Abfälle aus der Kühlwasserbehandlung
Organische Verunreinigungen < 25 % Kohlenwasserstoffe (Öle, Schmierstoffe)
Art und Anteil der Inhaltsstoffe abhängig vom Verschmutzungseintrag und dem Kühlwasserbehandlungsverfahren
100708 Abfälle aus der Kühlwasserbehandlung mit Ausnahme derjenigen, die unter 100707 fallen
Art und Anteil der Inhaltsstoffe abhängig vom Verschmutzungseintrag und dem Kühlwasserbehandlungsverfahren

 

Hinweis
Die Produktion von Edelmetallen in Deutschland hat im letzten Jahrzehnt einschneidende strukturelle und technische Veränderungen erfahren. Die Rückgewinnung von Edelmetallen aus industriellen und gewerblichen Abfällen, vor allem aus gebrauchten elektrischen und elektronischen Produkten und (Auto-)Abgaskatalysatoren, ist in den Vordergrund gerückt. Dies erfordert hochkomplexe Anlagen großer Kapazität, in denen die Rückgewinnung der Edelmetalle (überwiegend Gold, Silber, Platin, Palladium, Rhodium) mit der Produktion anderer Nichteisenmetalle (insbesondere Kupfer, Blei, Nickel) und zum Teil auch mit der Produktion seltener Metalle (z. B. Selen und Indium) gekoppelt ist. Die kleineren Betriebe, in denen überwiegend Scheidgut (Edelmetalle bzw. Edelmetalllegierungen ohne maßgebende Verunreinigungen) eingeschmolzen wird, haben an struktureller Bedeutung verloren.

Der technische Aufwand der Schmelzanlagen ist in erster Linie bedingt durch die Vielfalt und Komplexität der edelmetallhaltigen Abfälle, insbesondere durch die gebrauchten elektronischen Produkte. Oftmals sind den Schmelzanlagen mehrstufige mechanische und thermische Behandlungen vorgeschaltet, um Störstoffe zu entfernen und die Metallkonzentration zu erhöhen. Dies sind Aufwendungen, die angesichts des hohen Werts der gewonnenen (Edel-)Metalle mehr als gerechtfertigt sind.

 

Glossar
  Quenchenschnelles Abstoppen einer chemischen Reaktion, z. B. durch Abkühlung oder starke Verdünnung; hier: Abkühlen des heißen Abgasstroms mittels eines Wasservorhangs (und gleichzeitiges Auswaschen von Verunreinigungen)
  PyrometallurgieAufbereitung und Gewinnung von Metallen unter Einsatz thermischer Energie, z. B. Schmelzen im Hochofen
  Krätzebeim Schmelzen von Metallen, Legierungen oder Erzen entstehendes Gemenge aus Verunreinigungen (als Oxide) und Verbrennungsprodukten des Ausgangsmaterials, wobei die Krätze aufgrund geringerer Dichte auf der metallischen Schmelze schwimmt und dort abgekrätzt wird; bei der Roheisenherstellung im Hochofen auch Schlacke genannt