IPA > Abfallsteckbrief > 1801 und 1802 Human- und tierärztliche Versorgung, Stand 25.11.2020

Schadstoffe und gefährliche Eigenschaften

 

 

Schadstoffe

Schwermetalle

Schwermetalle spielen bei Abfällen aus der human- und tierärztlichen Versorgung (Kapitel 18 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV)) hinsichtlich der Einordnung als gefährliche Abfälle eine untergeordnete Rolle. Moderne Zahnamalgame enthalten vor allem Kupfer (Cu), Silber (Ag), Zinn (Sn) und Quecksilber (Hg). In Laborchemikalien können Schwermetalle eine Einstufung als gefährliche Abfälle bedingen.

Organische Schadstoffe

Die typischen einstufungsrelevanten organischen Schadstoffe, wie z.B. PAK, PCB, Dioxine, Pestizide, spielen für die Gefährlichkeitsbewertung der medizinischen Abfälle des Kapitels 18 der AVV keine Rolle.
Chemikalienabfälle sind unter Berücksichtigung ihrer chemikalienrechtlichen Einstufung abfallrechtlich als gefährlich oder nicht gefährlich zu kennzeichnen.

Beim Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen sind die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe TRBA 250 - "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege hinzufügen" (TRBA 250) zubeachten.

Krankheitserreger

Abfälle gelten als infektiös, wenn sie mit Erregern meldepflichtiger Krankheiten gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz behaftet sind. Die nach derzeitigem Kenntnisstand relevanten Erreger und deren Übertragungswege sind in der LAGA M 18 aufgelistet.

Zytostatika

Zytostatika sind natürliche oder synthetische Substanzen, die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen. Sie werden vor allem zur Behandlung von Krebs, teilweise auch bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt.
Zytotoxische und zytostatische Arzneimittel enthalten Wirkstoffe, die karzinogene, mutagene, teratogene und/oder embryotoxische Potenziale aufweisen. Derzeit ist nicht zu verhindern, dass Zytostatika auch bei bestimmungsgemäßen Umgang in die Umwelt gelangen, wie zum Beispiel während der Zubereitung von Applikationen innerhalb von Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken sowie insbesondere durch dieAusscheidungen der mit Zytostatika behandelten Patienten. Da der Trend in der Onkologie derzeit in Richtung höherer Zytostatikadosen geht und gleichzeitig immer mehr Patienten mit diesen Arzneimitteln behandelt werden, kommt dem Problem der Umweltbelastung durch Zytostatika eine wachsende Bedeutung zu.
Eine „Umweltrisikobewertung von Zytostatika“ wurde im Auftrag des UBA im Jahr 2009 durchgeführt (Texte 06/2009 des UBA).

Mit dem Merkblatt 620 gibt die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Informationen zur sicheren Handhabung von Zytostatika in human- und tiermedizinischen Einrichtungen.

 

Gefährliche Eigenschaften

Gefährliche Abfälle sind in der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Von ihnen wird angenommen, dass sie mindestens eine gefahrenrelevante Eigenschaft nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG besitzen. Einige Abfallarten sind aufgegliedert in gefährliche (*) und in nicht gefährliche Abfälle (sogenannte Spiegeleinträge), bei denen die Einstufung als "gefährlich" vom Gehalt gefährlicher Stoffe abhängig gemacht wird.

Die Regelungen für den Abfallbereich beruhen u. a. auf den Rechtsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) und gelten seit dem 01.06.2015 im europäischen Recht. Im deutschen Abfallrecht ist die AVV durch die Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien geändert worden (siehe hierzu die Rubrik - Aktuelles zur AVV).

In der folgenden Tabelle wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht die vollständige Stoffeinstufung dargestellt, die bei Bedarf in Stoffdatenbanken, z. B. Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis der ECHA (EU), GESTIS (DE), GisChem (DE), GSBL (DE) oder IGS (NW), verlinkt im Quellenverzeichnis, nachgesehen werden kann.
Schadstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
AS 180103* / AS 180202* Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden
Krankheitserreger
(lebensfähige Mikroorganismen, wie Algen, Bakterien, Parasiten, Pilze, Protisten oder deren Toxine und Prionen sowie Viren oder Viroide, die Krankheiten hervorrufen können)
Krankheitserreger sind im Infektionsschutzgesetz und daraus abgeleitet in der LAGA M 18 bzw. in der "Amtlichen Methodensammlung für anzeigepflichtige Tierseuchen" benannt; Erreger können in allen Körperflüssigkeiten, Geweben oder Materialien, die mit infizierten Körperflüssigkeiten verunreinigt sind, sowie in mikrobiologischen Kulturen enthalten sein
AS 180106* / AS 180205* Chemikalien, die aus gefährlichen Stoffen bestehen oder solche enthalten
Verbindungen mit Schwermetallen Laborchemikalien mit entsprechender chemikalienrechtlicher Einstufung
organische Schadstoffe Laborchemikalien mit entsprechender chemikalienrechtlicher Einstufung
Formaldehyd Formaldehydlösungen, als akut toxisch, ätzend, krebserzeugend, keimzellmutagen eingestuft
Säuren, Laugen Einstufung als reizend oder ätzend
AS 180108* / AS 180207* zytotoxische und zytostatische Arzneimittel
zytotoxische oder zytostatische Wirkstoffe
z.B. auch zerbrochene Tabletten, Infusionssyteme und sonstiges mit Zytostatika kontaminiertes Material
CMR-Arzneimittel aus zahlreichen Wirkstoffen hergestellt; Wirkstoffe selbst können karzinogen, mutagen, teratogen und/oder embryotoxisch sein; auch auf gesunde Zellen wirksam
AS 180110* Amalgamabfälle aus der Zahnmedizin
Quecksilber ca. 50 % Legierung enthält Zinn, Kupfer, Indium und Zink; aufgrund des Gehalts an Hg als gefährlicher Abfall einzustufen

 

Auswertungen aus der Abfallanalysendatenbank ABANDA

In der folgenden Tabelle sind Links zur Abfallanalysendatenbank ABANDA angegeben, mit deren Hilfe Sie Informationen zur chemischen Zusammensetzung der Abfälle erhalten. Zu jeder Abfallart ist in der Tabelle die Anzahl der vorhandenen Analysen angegeben. (Bei weniger als 10 Analysen sind keine sinnvollen statistischen Auswertungen möglich und es wird deshalb nicht nach ABANDA verlinkt).
Abfallarten Anzahl der
Analysen
180103* Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden 1
180104  Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden (z. B. Wund- und Gipsverbände, Wäsche, Einwegkleidung, Windeln) 2
180106* Chemikalien, die aus gefährlichen Stoffen bestehen oder solche enthalten 1
180107  Chemikalien mit Ausnahme derjenigen, die unter 18 01 06 fallen 2
180108* zytotoxische und zytostatische Arzneimittel 3
180202* Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden 2
180205* Chemikalien, die aus gefährlichen Stoffen bestehen oder solche enthalten 10   Analytik

 

Einstufung von Abfällen in gefährliche bzw. nicht gefährliche Abfälle

Die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthält 842 Abfallarten, davon sind 408 als gefährlich eingestuft und mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Allerdings wird nur ein Teil dieser Abfallarten als absolut gefährlich eingestuft. Bei 180 dieser gefährlichen Abfallarten kann alternativ auch eine als nicht gefährlich gekennzeichnete Abfallart ausgewählt werden, wobei dann von so genannten Spiegeleinträgen gesprochen wird.

Ein Abfall aus einem Spiegeleintrag wird im Abfallverzeichnis als gefährlich eingestuft, wenn dieser Abfall relevante gefährliche Stoffe enthält, aufgrund derer er eine oder mehrere der in Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG aufgeführten gefahrenrelevanten Eigenschaften HP1 bis HP8 oder HP10 bis HP15 aufweist. Das Vorliegen der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP9 wird angenommen, wenn Abfälle mit gefährlichen Erregern behaftet sind.

Bestimmte persistente organischen Schadstoffe (POP) können nach Nr. 2.2.3 in der Anlage zur AVV ebenfalls zu einer Einstufung als gefährlicher Abfall führen (siehe "Aktuelles zur AVV"). Enthalten Abfälle diese POP oberhalb der Grenzwerte gemäß Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 2019/1021 (POP-Verordnung) in der Fassung vom 20.06.2019, werden diese Abfälle als gefährlich eingestuft

Die Europäische Kommission hat einen Technischen Leitfaden zur Abfalleinstufung (2018/C 124/01) bekannt gemacht (siehe Quellen). Auch die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat Technische Hinweise zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit veröffentlicht (siehe Quellen). Die LAGA-Hinweise stellen vereinfachte Grenzwertlisten für den Fall bereit, dass keine genauen Informationen zur stofflichen Zusammensetzung der Abfälle vorliegen, um eine Gefährlichkeitseinstufung nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG durchführen zu können. Einige Länder haben die LAGA-Hinweise zur Anwendung empfohlen (siehe „Aktuelles zur AVV“) oder planen dies. Neben den LAGA-Hinweisen sind ggf. zusätzliche oder abweichende länderspezifische Anforderungen bei der Abfalleinstufung zu beachten.

Diese Informationen werden derzeit für IPA aufbereitet und sollen zukünftig wieder hier dargestellt werden.

 

 

Glossar
  zytotoxischFähigkeit einiger chemischen Substanzen (Arzneistoffe, Antikörper, Viren), Zellen und Gewebe zu schädigen
  zytostatischFähigkeit natürlicher oder synthetischer Substanzen, das Zellwachstum bzw. die Zellteilung zu hemmen
  ZytostatikaSubstanzen, die die Entwicklung und Vermehrung schnell wachsender Zellen hemmen und vor allem in der Behandlung von Tumorerkrankungen eingesetzt werden (Chemotherapie)
  karzinogen(auch carcinogen, kanzerogen oder cancerogen) Krebs erzeugend oder fördernd
  mutagendas Erbgut eines Organismus verändernd
  teratogenfruchtschädigend, Schädigung des Kindes im Mutterleib
  embryotoxischEigenschaft körperfremder Stoffe, schädliche Wirkungen auf das sich entwickelnde Kind durch Aufnahme über den Mutterleib während der Embryonalphase hervorzurufen
  CLPClassification, Labelling and Packaging (Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung)
  CLP-VerordnungVerordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006; gültig nur in der jeweils aktuellen Fassung auf Grundlage der regelmäßigen Anpassungen an den technischen Fortschritt durch entsprechende Anpassungsverordnungen
  StoffrichtlinieRichtlinie 67/548/EWG des Rates über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe
  HPhazardous property, 15 Gefährlichkeitskriterien aus Anhang III der Direktive 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie), die der Einstufung von Abfällen dienen, z. B. explosiv, brandfördernd, entzündbar, reizend, gesundheitsschädlich
  PAKPAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) bzw. englisch PAH (polycyclic aromatic hydrocarbons) bezeichnet eine Stoffgruppe mit mehreren hundert Einzelverbindungen. Sie bestehen aus mindestens zwei direkt aneinander gebundenen Benzolringen (z. B. Naphtalin, Anthrazen). PAK entstehen bei der Erhitzung bzw. Verbrennung von organischen Materialien unter Sauerstoffmangel (unvollständige Verbrennung). In Erdöl sind PAK von Natur aus vorhanden. PAK sind als potenziell kanzerogen und krebserzeugend eingestuft.
  PCBpolychlorierte Biphenyle, Stoffgruppe mit 209 Verbindungen, die früher u. a. in Trafo-, Wärmeträger- und Hydraulikölen sowie Weichmachern enthalten waren, unterfallen der POP-Verordnung (im Anhang I bzw. IV aufgeführt), da sie chronisch toxisch, bioakkumulierbar und persistent sind
  Pestizideallgemeine Bezeichnung für chemische Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, z.B. Herbizide, Insektizide, Fungizide, Biozide

 

Quellenverzeichnis
(Quellen, wenn nicht anders angegeben, in der aktuellen Fassung)
  EU - Europäische Union
  DE - Bundesrepublik Deutschland
  BW - Baden-Württemberg
  BY - Bayern
  BE - Berlin
  BB - Brandenburg
  HB - Bremen
  HH - Hamburg
  HE - Hessen
  NI - Niedersachsen
  NW - Nordrhein-Westfalen
  RP - Rheinland-Pfalz
  Informationsangebot des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz zum Thema Bewertung von Entsorgungswegen
  Erlass "Technische Hinweise der LAGA zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit", Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz, 16.07.2019
  SL - Saarland
  SN - Sachsen
  ST - Sachsen-Anhalt
  TH - Thüringen