IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1703 Bitumengemische und teerhaltige Produkte, Stand 12.06.2019

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Allgemein

Teer ist ein flüssiges bis halbfestes, schwarz- bis braunfarbenes Gemisch, das aus Holz, Torf, Braun- oder Steinkohle durch thermische Zersetzung (Pyrolyse) gewonnen wird. Es besteht aus Kohlenwasserstoffen und enthält große Anteile an polycyclisch aromatischen Kohlenwasser-stoffen (PAK) (z. B. Benzo[a]pyren) und Phenole.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung Teer noch heute fälschlicherweise für ein Bindemittel im Straßenbau verwendet. Teer wurde jedoch nicht direkt als solches verwendet, sondern wurde durch Destillation aufgearbeitet. Die Rückstände sind die Peche, aus denen dann die Straßenbaubindemittel hergestellt wurden. Es handelt sich dabei um eine schwarze, teerartige, sehr zähe Flüssigkeit, die ebenfalls polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Phenole enthält.

Teer bzw. Pech sind seit 1984 in Deutschland (in den neuen Bundesländern seit 1990) für den Einsatz im Straßen- und Wegebau verboten und vollständig durch unbedenkliches Bitumen ersetzt. Aufgrund der langen Nutzungszeiten der Produkte sowie der bisweilen fortwährenden Verwendung von rückgebautem Material, z. B. im Unterbau (Kaltmischverfahren) bei Straßenertüchtigungs- und Sanierungsvorhaben, ist auch weiterhin noch mit gefährlichen, teerhaltigen Abfällen in derartigen Bereichen zu rechnen.

Bitumen ist ein natürlich vorkommendes pastöses bis festes, dunkelfarbiges Gemisch, das für den Gebrauch primär bei der Aufarbeitung von Erdölen gewonnen wird. Es besteht aus langkettigen Kohlenwasserstoffen und heterozyklischer Verbindungen, z. B. Kohlenwasserstoffe mit anderen Atomen wie Schwefel, Stickstoff oder Sauerstoff. Die PAK-Belastung von Bitumen ist daher im Vergleich zu Teer bzw. Pech aufgrund der unterschiedlichen Herstellungsverfahren und Ausgangsstoffe in der Regel deutlich geringer.

Bei Bautätigkeiten im Straßenbau oder dem Rückbau befestigter Flächen (z. B. Parkplätzen, Schulhöfen etc.) können bituminöse oder teerhaltige Aufbruchmaterialien anfallen. Der Aufbruch besteht dabei meist aus mineralischen Stoffen (Schotter, Split, Kies), die mit Bitumen oder Kohlenteer gebunden sind.

Bei der Sanierung oder dem Rückbau von Gebäuden können ebenfalls bitumen- oder teerhaltige Materialien anfallen. Bei den teer- oder bitumenhaltigen Produkten handelt es sich u. a. um Dach- und Dichtungsbahnen (oft mehrere Dichtungsbahnlagen unterschiedlichen Alters), Isolieranstriche, Bautenschutzmittel, Asphaltestrich, Abdichtungsbahnen sowie Kleber für Parkett und Holzpflaster.

Der Straßenbau und sowie der Rückbau oder die Sanierung von Gebäuden sind grundsätzlich so zu planen und organisieren, dass dort anfallende Abfälle getrennt als teerhaltig oder bituminös erfasst werden können.
Hinweis
Auf die Thematik der Separierung bzw. der Abfallentsorgung im Allgemeinen wird in Kapitel 4 "Sammlung und Entsorgung" näher eingegangen. Für die Einstufung sowie bei der Verwertung bzw. Beseitigung von bituminösen/teerhaltigen Abfällen sind eine Fülle von Regelwerken (z.B. LAGA-Mitteilung 20, LAGA-Mitteilung 23), länderspezifischen Handlungshilfen, sowie mögliche Andienungspflichten zu beachten.
170301* kohlenteerhaltige Bitumengemische und 170302 Bitumengemische mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 03 01 fallen

Die Abfallfraktion lässt sich hauptsächlich in zwei Herkunftsbereiche einteilen. Zum einem entstehen teer-/bitumenhaltigen Abfälle bei der Straßensanierung und zum anderen beim Rückbau bzw. der Instandhaltung von Gebäuden.

Straßenaufbruch/Fräsgut
Kohlenteerhaltige Bitumengemische (AS 170301*) und Bitumengemische mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 03 01 fallen (AS 170302), entstehen beim Aufbruch und der Sanierung von Straßenoberflächen, die mit Teer/Pech oder Bitumen als Bindemittel gebunden sind. Die Zusammensetzung des Abfalls hängt von Art und Alter des Ausgangsmaterial ab und wird von der Aufbruch- bzw. Sanierungsmethode bestimmt. So ist der Bitumen- bzw. Teer-/Pechgehalt bei schollenartigem Straßenaufbruch deutlich niedriger als beim Fräsasphalt, bei dem gezielt die Deckschicht mit dem hohen Bindemittelgehalt abgenommen wird. Die im Fräsasphalt vorhandenen PAK-Gehalte können dabei deutlich über 1.000 mg/kg PAK liegen. Teere und teer-/pechhaltige Bindemittel dürfen nach TRGS 551 "Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material" im öffentlichen Straßenbau seit den 1970er Jahren in Deutschland (in den neuen Bundesländern seit 1990) aufgrund seines karzinogenen Potentials nicht mehr verwendet werden.

Die Einstufung, ob ein teerhaltiges oder Bitumengemisch vorliegt, erfolgt anhand des PAK-Gehaltes des Materials. Von der Straßenbauverwaltung wird Ausbauasphalt mit einem PAK- Gehalt von > 25 mg/kg PAK (nEPA) als PAK-belastet eingestuft. Neben den Vorgaben der Straßenbauverwaltung sind für die entsorgungsrelevante Einstufung als "gefährlicher Abfall" die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen PAK- und Benzo[a]pyren-Grenzwerte anzuwenden. Diese sind im Kapitel „Schadstoffe und gefährliche Eigenschaften“ unter „Einstufung von Abfällen in gefährliche bzw. nicht gefährliche Abfälle“ als „Länderspezifische Regelungen“ angegeben. Bei einer Verwertung/Entsorgung des Materials sind darüber hinaus weitere Parameter zu berücksichtigen (u. a. Phenolindex, Glühverlust, TOC).

Dichtungsbahnen/Dachpappen und andere Materialien aus dem Gebäuderückbau
In vielen beim Hausbau früher verwendeten Produkten, z. B. Dach- und Dichtungsbahnen ("Dachpappe"), Isolieranstriche, Bautenschutzmittel, Asphaltestrich, Abdichtungsbahnen sowie Kleber für Parkett und Holzpflaster sind Teer oder Bitumen als Gemisch oder in Reinform enthalten.

Bitumenhaltige Dachbahnen werden und wurden in unterschiedlichen Ausführungen als reine Bitumenbahnen hergestellt. Diese Dichtungsbahnen enthalten Glasfasern, Polyester sowie Jute mit Bitumen oder Polymerbitumen. Generell können Styropor, Kork, Aluminium aber auch Holz- oder Metalle an Dichtungsbahnen angehaftet sein.
Moderne Bitumenbahnen bestehen aus einer Trägereinlage mit beidseitigen Bitumendeckschichten sowie ober- und unterseitigen Bestreuungen/Beschichtungen, welche aus Sand, feinkörnigem Splitt oder Kalksteinmehl bestehen können.

Eine gezielte Abtrennung dieser Materialien ist häufig nur begrenzt möglich.
Hinweis
Für die Herstellung, den Einbau und die Prüfung von Asphalt sind - je nach Anwendungsgebiet - eine Fülle von Regelwerken zu beachten, u. a. übergreifende Regelwerke (z. B. die „Richtlinien für die umweltverträgliche Verwertung von Ausbaustoffen mit teer-/pechtypischen Bestandteilen sowie für die Verwertung von Ausbauasphalt im Straßenbau“ (RuVA-StB 01) bzw. die auf dieser Richtlinie eingeführten Ausführungsvorschriften der einzelnen Bundesländer, die Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO), DIN-Normen) sowie zusätzliche technische Vertragsbedingungen.
170303* Kohlenteer und teerhaltige Produkte

Vor allem in alten Dach- und Dichtungsbahnen ("Dachpappe"), teergebundenen Isoliermaterialen, Isolieranstrichen und -pappen, Bautenschutzmittel, Asphaltestrichen sowie in Klebern für Parkett und Holzpflaster wurde Teer als Bindemittel verwendet. Die Produktion von teerhaltigen Dachbahnen wurde in Deutschland aufgrund der karzinogenen Inhaltsstoffe größtenteils nach 1962 eingestellt und seit 1990 verboten.

Teer kann daher noch in vielen dieser vorhandenen Produkte enthalten sein. Bei Abbruch und Sanierungsarbeiten ist aufgrund der langen Nutzungszeiten der Produkte auch in den kommenden Jahren noch mit gefährlichen, teerhaltigen Abfällen zu rechnen.
Hinweis
Bitumen- und teerhaltige Dach- und Isolierpappen können zusätzlich asbesthaltig sein. Der Asbestanteil ist hier durch die Bestandteile Teer / Bitumen weitestgehend gebunden. Für diese Dach- und Isolierpappen ist i. d. R. eine Einstufung unter den Abfallschlüssel 170601* "Dämmmaterial, das Asbest enthält" vorzunehmen.

Auch bitumen- und teerhaltiger Straßenaufbruch kann asbesthaltig sein, insbesondere wenn er aus Kreuzungsbereichen stammt. Liegt der Anteil von Asbest > 0,1 Gew.-%, ist asbesthaltiger Straßenaufbruch als AS 170605* “asbesthaltiger Baustoff’“ (und damit als gefährlicher Abfall) einzustufen. Dabei ist es nicht relevant, ob das Bitumengemisch kohlenteerhaltig oder kohlenteerfrei ist. Die Hinweise der LAGA Mitteilung 23 "Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" sind zu beachten.

Zusätzliche Informationen können im Abfallsteckbrief 1706 "Dämmmaterial und asbesthaltige Baustoffe" nachvollzogen werden.

 

Charakteristische Zusammensetzung

Inhaltsstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
170301* kohlenteerhaltige Bitumengemische170302 Bitumengemische mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 03 01 fallen
Straßenaufbruch
mineralische Hauptbestandteile ca. 90 - 98 % Kies, Splitt, Sand, Füller, ggf. RC-Baustoffe; Anteile abhängig von der Art der verwendeten Baustoffe, der Einbauschicht und von der Aufbruch-/Fräsmethode
organische Anteile ca. 2 - 8 % Bitumen oder Teer (Herstellung vor 1990), ggf. Öle
sonstige Bestandteile ca. 0,5 - 2 % u. a. Wachse, Öle, Polyolefine, ggf. Asbestfasern
Dachbahnen
Bestandteile (Trägereinlage) je nach Herstellungsart Glasfasern, Polyester, Jute, Styropor, Kork, Holz, Aluminium (oder andere Metalle)
mineralische Bestandteile (Bestreuung) Sand, feinkörniger Splitt, Kalksteinmehl
organische Anteile Bitumen oder Teer (Herstellung vor 1990), ggf. Öle
sonstige Bestandteile u. a. Wachse, Öle, Polyolefine, ggf. Asbestfasern
170303* Kohlenteer und teerhaltige Produkte
Hauptbestandteile Dachbahnen enthalten in der Regel eine Einlage aus Glasfaser- oder Polyestervliese, Pappe oder Jutegewebe, frühe Dachbahnen enthielten mit Teeröl getränkte Lumpen oder Alt-Papier
organische Anteile Bitumen oder Teer
sonstige Bestandteile mineralische Anteile als Füllstoffe, ggf. auch Asbestfasern

 

Glossar
  AsphaltVerbund aus Gesteinskörnungen und dem Bindemittel Bitumen (erdölbasiert) oder Teer (steinkohlebasiert)
  Aufbruchasphaltdurch Aufbrechen / Aufnehmen eines Schichtenpaketes in Schollen gewonnener Ausbauasphalt
  Fräsasphaltdurch Fräsen kleinstückig gewonnener Ausbauasphalt
  RC-Baustoff Recycling-Baustoff aus Sekundärrohstoffen, gewonnen durch Aufbereitung von Abfällen, die bei Bautätigkeiten angefallen sind und als natürliche oder künstliche mineralische Baustoffe in gebundener oder ungebundener Form im Hoch- und Tiefbau eingesetzt waren
  PAKpolycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe aus mindestens zwei verbundenen aromatischen Ringen, die überwiegend bei unvollständiger Verbrennung entstehen (oft angelagert an Ruß) und meist eine hohe Toxizität und Persistenz aufweisen, z. B. Benzo[a]pyren
  PolyolefineKunststoffgruppe; Polymere, die aus Kohlenwasserstoff-Monomeren mit einer Doppelbindung (z. B. Ethylen, Propylen) aufgebaut sind und teilkristalline Thermoplaste darstellen, die sich leicht verarbeiten lassen (z. B. Polyethylen, Polypropylen)
  AusbauasphaltOberbegriff für Aufbruch- oder Fräsasphalt, mit Bitumen (früher auch Teer) gebundene Mineralstoffe, die durch Aufbrechen oder Fräsen aus befestigten Schichten gewonnen werden
  Benzo[a]pyrenkarzinogene Substanz, entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen, ist u. a. in Teer enthalten, wird als Leitsubstanz für PAK zur Bewertung der Kanzerogenität z. B. von Abfällen herangezogen
  Teerdurch zersetzende thermische Behandlung (Pyrolyse) aus organischen Naturstoffen (wie Kohle und Holz) gewonnenes bräunliches bis schwarzes, zähflüssiges Gemisch organischer Verbindungen mit hohem Anteil an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK)
  Phenoleorganische Verbindungen mit einem Benzolring und daran gebundenen Hydroxygruppen
  Lacksprühverfahrenorientierender Schnelltest, ob Straßenaufbruch Teer (PAK) enthält; Prüfmaterial wird mit einer speziellen weißen Farbe angesprüht, welche sich bei einer PAK-Verunreinigung gelblich oder bräunlich verfärbt
  karzinogen(auch carcinogen, kanzerogen oder cancerogen) Krebs erzeugend oder fördernd
  nEPANational Environmental Policy Act
  Pechschwarzer, sehr zäher, klebriger Rückstand der zersetzenden thermischen Behandlung organischer Naturprodukte (Holz, Steinkohle, Erdöl etc.), mit gefährlichen Bestandteilen wie PAK
  Bitumenlat. für Erdpech, ist ein nahezu nicht flüchtiges, klebriges und abdichtendes erdölstämmiges Produkt mit temperaturabhängigem elastoviskosem Verhalten, besteht hauptsächlich aus hochmolekularen Kohlenwasserstoffen (langkettig und aromatisch) und enthält daneben chemisch gebundenen Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff und Spuren von verschiedenen Metallen
  TOCtotal organic carbon (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff), Gehalt an organischen Kohlenstoffverbindungen in einer Probe

 

Quellenverzeichnis
(Quellen, wenn nicht anders angegeben, in der aktuellen Fassung)
  EU - Europäische Union
  DE - Bundesrepublik Deutschland
  BW - Baden-Württemberg
  Analytische Untersuchung von Bauschuttrecyclingmaterial in Baden-Württemberg, LUBW, 2006
  Analytische Untersuchung von Bauschuttrecyclingmaterial in Baden-Württemberg 2007/2008, LUBW, September 2008
  Analytische Untersuchung von Bauschuttrecyclingmaterial in Baden-Württemberg 2009, LUBW, August 2010
  Abbruch von Wohn- und Verwaltungsgebäuden, LUBW, 2001
  Abbruchplanung - Eine Handlungshilfe für Bauherren, LUBW, 2008
  Recyclingbaustoffe in Baden-Württemberg: Aktueller Stand und mögliche Auswirkungen der geplanten Ersatzbaustoffverordnung, LUBW, August 2014
  Steckbrief „Nr. 3 - Bituminöser/teerhaltiger Abfall“, LUBW, Referat 35 – Kreislaufwirtschaft, Chemikaliensicherheit, 2017
  Leitfaden zum Umgang mit und zur Entsorgung von teerhaltigem Straßenaufbruch, LUBW, Mai 2018
  Schreiben des Ministeriums für Verkehr Baden Württemberg: Regelungen zur Verwertung von Straßenausbaustoffen mit teer-/pechtypischen Bestandteilen in Bundesfernstraßen, Oktober 2017
  BY - Bayern
  BE - Berlin
  BB - Brandenburg
  HE - Hessen
  NI - Niedersachsen
  SN - Sachsen
  ST - Sachsen-Anhalt