IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1908 Behandlung von industriellem Abwasser, Stand 30.11.2021

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Behandlung von industriellem Abwasser

Die Zusammensetzung von Industrieabwasser ist branchen- und betriebsspezifisch. Sie ist in erster Linie vom Produktionsverfahren, den Nebeneinrichtungen (z. B. Abgasreinigung) sowie den verwendeten Einsatz- und Hilfsstoffen abhängig. Industrieabwässer können deshalb mit diversen Stoffen verunreinigt sein und müssen i. d. R vor der Einleitung in öffentliche Kläranlagen oder bei direkter Einleitung in Gewässer vorbehandelt werden. Indirekteinleiter und Direkteinleiter haben bei dieser Abwasserbeseitigung die wasserrechtlichen Regelungen nach Abschnitt 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zu beachten. Die herkunftsspezifischen Mindestanforderungen für das abzuleitende Abwasser sind in der Abwasserverordnung (AbwV) genannt. Anlagen, die Abwässer Dritter behandeln, haben dabei wechselnde Anforderungen zu beachten, die sich aus den unterschiedlichen Qualitäten der angelieferten Abwässer ergeben können.

Die Behandlung von industriellem Abwasser weist i. d. R. mehrere Stufen auf (siehe auch Abbildung 1) und kommt in unterschiedlichen Kombinationen vor:
  • In der primären Behandlung (mechanische Stufe/Vorreinigung) werden gröbere Feststoffe durch Rechen, Sandfang o. ä. sowie Leichtstoffe mittels Öl- und Fettabscheider o. ä. entfernt.
  • In der sekundären Behandlung (biologische Stufe) erfolgt die Entfernung bzw. Umwandlung organischer Anteile durch biologische Behandlung. Hierzu zählen z. B. Belebungsbecken, Biofiltration, Tropf- oder Tauchkörper. Es werden Kohlenstoffverbindungen abgebaut, Stickstoffverbindungen umgesetzt sowie das Auschleusen bzw. Rückgewinnen von Phosphorverbindungen möglich gemacht.
  • In der tertiären Stufe (chemische Stufe) werden anorganische und organische Verbindungen, die überwiegend in gelöster Form vorliegen, durch chemische oder kombiniert chemisch-physikalische Verfahren, z. B. Fällung, Flockung, Reduktion und Oxidation, in unlösliche Verbindungen umgewandelt und abgetrennt.
  • In der je nach Herkunftsbereich und Abwasserbehandlungsverfahren vielfach zur Sicherheit vorhandenen Nachbehandlungsstufe werden evtl. noch vorhandene Restverunreinigungen abgeschieden, z. B. durch Feinfiltration (Nanofiltration, Umkehrosmose) oder adsorptive Verfahren wie z. B. Aktivkohlefiltration.
Die Rückstände aus der Abwasserbehandlung fallen dabei als Abfall an.

190811* Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten
190812 Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 11 fallen

Bei der biologischen Behandlung werden nahezu alle organischen Inhaltsstoffe von Mikroorganismen als Nahrung aufgenommen und für ihren Stoffwechsel genutzt. Beim Abbauvorgang im Belebungsbecken werden die Substrate zunächst an Biomasse adsorbiert, anschließend mikrobiell zu Kohlendioxid, Wasser und neuer Biomasse umgesetzt. Der Rohschlamm wird abgetrennt, z. B. durch Sedimentation im Nachklärbecken, Filtration etc., und in der Regel aerob im Eindicker oder anaerob im Faulturm stabilisiert (mineralisiert). Der Rohschlamm hat einen Trockensubstanzgehalt von ca. 50 g/l der stabilisierte Schlamm von ca.100 g/l. Die Schlämme werden, ggf. nach vorheriger Zugabe von Konditionierungsmitteln, mechanisch entwässert - z. B. mit einer Kammerfilterpresse - und weisen dann ca. 30 - 60 % Trockenrückstand auf. Je nach vorgesehenem Entsorgungsweg kann eine weitergehende Entwässerung sinnvoll sein, z. B. durch thermische Trocknung. Der Heizwert der Schlämme ist abhängig von der Trocknungsart, der Restfeuchte und dem organischen Anteil. Bei mechanisch entwässerten Schlämmen kann der Heizwert in der Regel mehr als 11.000 kJ/kg TS betragen.

Die Konsistenz und die Zusammensetzung der stabilisierten, entwässerten Schlämme ist vergleichbar mit Klärschlamm aus einer kommunalen Kläranlage. Ihr Trockenrückstand (TR) enthält im Wesentlichen – bezogen auf den Trockenmassenanteil - organisches Material (ca. 40 - 45 %) und mineralisches Material (ca. 55 - 60 %), mit herkunftsspezifischen Spurenbestandteilen, u. a. Metalle bzw. Metallverbindungen, Mineralölkohlenwasserstoffe und ggf. halogenfreie oder halogenhaltige organische Schadstoffe. Die Spurenbestandteile sind in der Regel maßgebend für die Abfalleinstufung und für die Entsorgung.

190813* Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten
190814 Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 13 fallen

Die Schlämme entstehen im Allgemeinen bei der chemischen bzw. chemisch-physikalischen Behandlung von überwiegend anorganisch belastetem Abwasser, die spezifisch auf die herkunftsbedingten Verunreinigungen ausgerichtet ist. Je nach Herkunft und Zusammensetzung erfolgt eine Fällung der Metalle, in der Regel mit Natronlauge und/oder Kalkmilch, bei der schwerlösliche Hydroxide bzw. Oxidhydrate entstehen. Daneben finden sich - je nach Bedingungen des Einzelfalls - schwerlösliche Sulfate, Phosphate, Silikate und Fluoride im Schlamm. Vereinzelt werden Metalle auch als Metallsulfide gefällt. Da die Niederschläge zum Teil feindisperser Natur sind, werden oftmals Flockungsmittel oder Flockungshilfsmittel zugegeben, die sich im Schlamm wiederfinden. In geringen Konzentrationen können organische Verbindungen aus den vorgelagerten Produktionsprozessen enthalten sein, z. B. Mineralöle, Fette, Komplexbildner oder Glanzzusätze.

Die bei der Fällung entstehenden Niederschläge sedimentieren zu einem Dünnschlamm mit ca. 3 – 5% Trockenrückstand (TR). Bei der mechanischen Entwässerung, z. B. mittels Kammerfilterpresse, entsteht ein stichfester Schlamm mit ca. 30 - 60 % Trockenrückstand (TR). Bei einer anschließenden thermischen Behandlung, z. B. mittels Warmlufttrocknung, können ca. 70-80% TR erreicht werden. Der Heizwert ist abhängig von der Trocknungsart, der Restfeuchte und dem organischen Anteil, meist liegt bei diesen mechanisch entwässerten Schlämme der Heizwert unter 11.000 kJ/kg TS.

 

Charakteristische Zusammensetzung

Inhaltsstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
190811* Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten; 190812 Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 11 fallen
Trockenrückstand (TR) im Sedimentationsschlamm ca. 3 - 5 %
Trockenrückstand (TR) im Schlamm aus Kammerfilterpresse ca. 30 - 60 % i. d. R. stichfest
Trockenrückstand (TR) im thermisch getrockneten Schlamm > 70 % i. d. R. trocken, bröckelig
Glühverlust der Trockensubstanz i. d. R. > 20 % große Bandbreite; Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise
Glührückstand der Trockensubstanz i. d. R. > 40 % bis ca. 60 % große Bandbreite; Gehalt abhängig von der Schlammbehandlung, z. B. stabilisierter Schlamm, ausgefaulter Schlamm etc.
TOC total organic carbon (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff) ca. 5 – 30% große Bandbreite; Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise/Konditionierungsmittel
NE-Metalle (bezogen auf Trockensubstanz) gering Art und Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise
sonstige organische Anteile gering Art und Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise:
- leicht abbaubare Stoffe, z. B. Mineralölkohlenwasserstoffe
- nicht oder schwerabbaubare Stoffe, z. B. organische Zinnverbindungen, halogenhaltige persistente Stoffe
190813* Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten; 190814 Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 13 fallen
Trockenrückstand (TR) im Sedimentationsschlamm ca. 3 - 5 %
Trockenrückstand (TR) im Schlamm aus Kammerfilterpresse ca. 30 - 60 % i. d. R. stichfest
Trockenrückstand (TR) im thermisch getrockneten Schlamm > 70 % i. d. R. trocken, bröckelig
Glühverlust der Trockensubstanz i. d. R. > 40 % große Bandbreite; Art und Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise
Glührückstand der Trockensubstanz i. d. R. < 50 % große Bandbreite, Gehalt in erster Linie abhängig vom Behandlungsverfahren
TOC total organic carbon (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff) ca. 0,5 - 20 % große Bandbreite; Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise
NE-Metalle i. d. R. < 10 % große Bandbreite, Art und Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise; Metalle liegen i. d. R. als Hydroxide oder Sulfide vor; häufig sind Al, Cr, Cu, Ni, Zn vertreten
sonstige organische Anteile gering Art und Gehalt abhängig von der Herkunft und der Betriebsweise:
- leicht abbaubare Stoffe, z. B. Mineralölkohlenwasserstoffe
- nicht oder schwerabbaubare Stoffe, z. B. organische Zinnverbindungen, halogenhaltige persistente Stoffe

 

Hinweis
Da die Herkunftsbereiche und damit die Zusammensetzung der unter 190811*/12 bzw. 190813*/14 deklarierten Schlämme sehr unterschiedlich sind, ist eine einzelfallspezifische Betrachtung der Schlämme erforderlich, um die Umweltrelevanz und die Entsorgungswege zuverlässig beurteilen zu können.

Die technischen Verfahren und sonstigen Maßnahmen zur Behandlung von industriellem Abwasser sind branchenspezifisch in den BVT-Merkblättern "Beste Verfügbare Techniken - BVT" (engl. BREF) erläutert. Ein branchenübergreifendes, ausschließlich auf industrielles Abwasser ausgerichtetes BVT-Merkblatt ist derzeit nicht verfügbar.

 

Glossar
  DirekteinleiterAbwasserproduzenten, die ihre gereinigten Abwässer über eigene Kanalisationen und ggf. Abwasserbehandlungsanlagen direkt in ein Gewässer einleiten; eine wasserrechtliche Erlaubnis ist i. d. R.  erforderlich
  IndirekteinleiterAbwasserproduzenten, die ihre Abwässer i. d. R ungereinigt bzw. in seltenen Fällen vorgereinigt über die öffentliche  Kanalisation und somit i. d. R. über eine kommunale Kläranlage indirekt in ein Gewässer einleiten
  Konditionierungsmittelgeeignete chemische Substanzen, die die Eigenschaften einer Lösung oder Suspension beeinflussen sollen oder unerwünschte Nebenreaktionen unterdrücken sollen, z. B. Komplexbildner zur Verhinderung der Fällung schwerlöslicher Salze oder Flockungsmittel zur Sedimentation bzw. Filtration von feinverteilten Teilchen
  OxidationTeil der Redoxreaktion, bei der ein Reaktionspartner Elektronen abgibt; früher: chemische Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff wie die Korrosion von Eisen zu Rost
  ReduktionTeil der Redoxreaktion, bei der ein Reaktionspartner Elektronen aufnimmt; früher: Abgabe einer Verbindung von Sauerstoff oder Aufnahme einer Verbindung von Wasserstoff
  FällungÜberführung löslicher Verbindungen durch Zugabe eines Fällungsmittels in unlösliche Fällungsprodukte (Niederschlag), z. B. Metallhydroxide oder -sulfide, die physikalisch mittels Sedimentation oder Filtration von der Flüssigkeit abgetrennt werden können
  FlockungshilfsmittelHilfsmittel zur Verstärkung oder Beschleunigung der Flockung zu größeren Flocken
  FlockungVerfahren zur Fest-Flüssig-Trennung durch Zugabe eines Flockungsmittels, wobei sich die entstehenden Flocken entweder absetzen (Sedimentation) oder abfiltrieren lassen
  TOCtotal organic carbon (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff), Gehalt an organischen Kohlenstoffverbindungen in einer Probe
  aerobStoffwechselprozesse von Zellen oder Organismen, die nur in Gegenwart von Sauerstoff ablaufen
  anaerobStoffwechselprozesse von Zellen oder Organismen, die unter Ausschluss von Sauerstoff ablaufen
  NE-MetalleNichteisen-Metalle, alle Metalle außer Eisen sowie Legierungen, in denen Eisen nicht als Hauptelement enthalten ist (z. B. Kupfer, Zink, Aluminium, Gold, Bronze, Messing)
  Glanzzusätzewerden zusammen mit Glanzträgern in der Galvanik verwendet, wobei die abgeschiedenen Kristallite zerkleinert werden und eine glatte Metalloberfläche mit hohem Reflexionsgrad entsteht
  GlührückstandGR, mineralischer Anteil einer Probe [%], der nach längerem Erhitzen der Probe bei über 500° C unter Sauerstoffeinfluss (Veraschen) verbleibt (organische Bestandteile verflüchtigen sich)
  GlühverlustGV, organischer Anteil einer Probe [%], der nach längerem Erhitzen der Probe bei über 500° C unter Sauerstoffeinfluss (Veraschen) verflüchtigt (Masseverlust der Probe)
  TrockensubstanzTS, auch Trockenmasse (TM), nach einem festgelegten Trocknungsverfahren erhaltene Masse an fester Substanz; z. B. in g oder kg angegeben (DIN EN 12880)
  TrockenrückstandTR, Massenanteil einer Probe, der zurückbleibt, wenn die Probe unter festgelegten Bedingungen einem Trocknungsvorgang unterzogen wird; z. B. in % oder g/kg angegeben (DIN EN 15934)
  TrockensubstanzgehaltTSR, die in einem bestimmten Volumen erhaltene Trockenmasse; z. B. in g/l oder kg/m³ angegeben (DIN 4045)

 

Quellenverzeichnis
(Quellen, wenn nicht anders angegeben, in der aktuellen Fassung)
  EU - Europäische Union
  DE - Bundesrepublik Deutschland
  BW - Baden-Württemberg
  BY - Bayern
  Informationsangebot des Bayerischen Landesamtes für Umwelt - Industrielle Abwasserbehandlung
  BE - Berlin
  NW - Nordrhein-Westfalen
  SN - Sachsen