IPA - Home > Abfallsteckbrief - 0601 Abfälle aus der Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung (HZVA) von Säuren, Stand 09.06.2010

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Allgemein

Die Untergruppe 0601 (Abfälle aus Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Anwendung von Säuren) nennt in erster Linie die Mineralsäuren: Schwefel-, Salz-, Phosphor- und Salpetersäure. Als Abfall fallen die Säuren nicht in reiner Form an, sondern sind herstellungs- oder anwendungsbedingt verunreinigt. Aufgrund der sehr weit gefächerten industriellen, handwerklichen und sonstigen Anwendung sind Art und Grad der Verunreinigung sehr unterschiedlich, so dass im Rahmen dieses Steckbriefs nicht näher darauf eingegangen werden kann.

060101* Schwefelsäure und schweflige Säure

Schwefelsäure (H2SO4) ist weltweit die mengenmäßig bedeutendste Industriechemikalie und zählt zu den wichtigsten chemischen Grundstoffen bei einer Vielzahl von Einsatzgebieten. Das am weitesten verbreitete Herstellungsverfahren ist das Kontaktverfahren, bei dem eine katalytische SO2-Oxidation und SO3-Absorption zur 98 %igen Säure führt. Schwefelsäure wird i. d. R. entweder direkt als Rohstoff verwendet (z. B. Beiz- oder Entlackungschemikalie, Akkumulatorensäure) oder als Hilfsstoff für chemische Produktionsprozesse eingesetzt (z. B. Herstellung von Kunststoffen und Chemiefasern, in der Petrochemie oder der Titandioxidproduktion). Bei den meisten industriellen Anwendungen geht die Schwefelsäure nicht oder nur teilweise substantiell in das Produkt ein. In der Regel wird sie als Abfallschwefelsäure aus dem Prozess ausgetragen und enthält spezifische organische und/oder anorganische Verunreinigungen.

Schweflige Säure (H2SO3) ist eine unbeständige schwache Säure, die beim Lösen von Schwefeldioxid in Wasser entsteht. Sie wird als Bleich-, Reduktions-, Desinfektions- und Konservierungsmittel eingesetzt.

060102* Salzsäure

Salzsäure (HCl) wird in chemisch reiner Form durch Absorption von Chlorwasserstoff in Wasser hergestellt. Die weitaus größten Mengen Salzsäure entstehen jedoch als Nebenprodukt bei der Chlorierung organischer Verbindungen, z. B. bei der Vinylchloridproduktion.

Salzsäure wird als starke anorganische Säure in zahlreichen Anwendungsgebieten eingesetzt, z. B. Aufschluss von Mineralien, Beizen und Ätzen von Metalloberflächen, Regenerierung von Ionenaustauschern für die Wasseraufbereitung, Neutralisation alkalischer Produkt- und Abwasserströme.

060103* Flusssäure

Flusssäure (HF) wird fast ausschließlich durch Aufschluss des Minerals Flussspat (CaF2) mit Schwefelsäure gewonnen. Die endotherme Reaktion wird in einem von außen beheizten Drehrohrofen durchgeführt.

Flusssäure greift mineralische Verbindungen, z. B. Siliciumdioxid, stark an und wird aufgrund dieser Beizwirkung u. a. als Ätzmittel für Glas und Halbleiter verwendet. In verdünnter Form wird es auch zum Reinigen von Fassaden, zum Entsanden von Metallgussstücken und Entzundern von Metallen (vorwiegend Edelstähle, in Kombination mit Salpetersäure) eingesetzt. In der Chemischen Industrie dient sie als Ausgangsprodukt für die Herstellung von Fluorchemikalien.

060104* Phosphorsäure und phosphorige Säure

Phosphorsäure (H3PO4) wird allgemein im Nassverfahren durch Aufschluss von Rohphosphat mit Mineralsäuren (Schwefel-, Salz- oder Salpetersäure) gewonnen, wobei große Mengen Gips und Hexafluorokieselsäure entstehen. In geringerem Umfang wird Phosphorsäure im thermischen Verfahren durch Verbrennung zu Phosphorpentoxid und anschließende Hydrolyse hergestellt.

Phosphorsäure wird in großen Mengen zur Herstellung von Futter- und Düngemitteln sowie Detergentien verwendet. Darüber hinaus weist Phosphorsäure ein sehr breites Anwendungsspektrum auf: Herstellung von Emaillen und Porzellankitten, Herstellung von Färbe- und Veredelungsmitteln im Textilbereich, Katalysator für chemische Prozesse, Phosphatieren von Metalloberflächen, Ätzmittel für Offsetplatten und Halbleiter, Herstellung von Flammschutzmitteln, Gewinnung von Hefen und Enzymen, Herstellung von Arzneimittel und Kosmetika, Zusatzstoff (Antioxidantien) in Lebensmitteln.

Phosphorige Säure (Phosphonsäure, H3PO3) wird als Reduktionsmittel bei chemischen Prozessen und als Pflanzenschutzmittel eingesetzt.

060105* Salpetersäure und salpetrige Säure

Salpetersäure (HNO3) wird großtechnisch durch die katalytische Oxidation von Ammoniak hergestellt (Oswald-Verfahren).

Salpetersäure bzw. ihre Salze (Nitrate) werden zur Herstellung von Düngemitteln, Explosivstoffen, Farb- und Kunststoffen, Chemiefasern, Fotochemikalien, Katalysatoren, Konservierungsmittel verwendet. Weitere Einsatzgebiete sind Ätz- und Beizprozesse in der Oberflächentechnik, ggf. auch in Kombination mit Flusssäure.

Salpetrige Säure (HNO2) tritt in reiner Form nicht auf, sondern nur als verdünnte, wässerige Lösung. Salpetrige Säure bzw. ihre Salze werden in erster Linie zur Herstellung von Farbstoffen eingesetzt.

060106* andere Säuren

Unter dem Abfallschlüssel werden die sonstigen anorganischen und organischen Säuren und sauren Lösungen zusammengefasst, die nicht den vorgenannten spezifischeren Schlüsseln zuzuordnen sind. Hierzu gehören insbesondere:
  • Gemische der vorgenannten Säuren, z. B. Königswasser (Gemisch aus Salz- und Salpetersäure), Edelstahlbeizen (Gemisch aus Fluss- und Salpetersäure, s. a. Abfallgruppe 11 01),
  • andere anorganische Säuren, z. B. Chromsäure und Borsäure für verschiedene Anwendungszwecke, u. a. Oxidations- und Desinfektionsmittel,
  • Organische Säuren, z. B. Essig- und Zitronensäure,
  • saure Lösungen aus der Anwendung, z. B. Entkalker, Lötwasser,
  • saure Lösungen verschiedener Art, die verunreinigt als Rückstandssäuren in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie anfallen,
  • Cyanwasserstoff-Lösungen (HCN), die in der Herstellung von Kunst- und Farbstoffen, von Pflanzenschutzmitteln sowie in der Edelmetallindustrie (Extraktion von Gold) anfallen.

 

Hinweis
Getrennt gesammelte Säuren 200114* aus Siedlungsabfällen weisen grundsätzlich die im Abfallsteckbrief beschriebene Schadstoffcharakteristik auf. Sie fallen sortenrein oder gemischt in unterschiedlichen Konzentrationen und in kleinen Mengen an.

 

Glossar
  Säurenim engeren Sinne alle Verbindungen, die mit Wasser saure Lösungen bilden, d. h. pH-Wert < 7, wobei reines Wasser einen pH-Wert = 7 besitzt (neutral)
  MineralsäurenSammelbezeichnung für Salz-, Schwefel- und Salpetersäure, häufig auch Phosphorsäure; ursprünglich alle Säuren, deren Salze in Mineralen auftreten, also auch Kohlensäure; z. T. auch als Sammelbezeichnung für alle anorganischen Säuren
  HexafluorokieselsäureH2SiF6, eine starke Säure, die in wasserfreiem Zustand leicht in Fluorwasserstoff (HF) und Siliciumtetrafluorid (SiF4) dissoziiert und zur Herstellung von Kryolith und Aluminiumfluorid verwendet wird
  AbsorptionAufnahme oder Lösen eines Stoffes im freien Volumen einer anderen Phase
  endotherm(i. d. R. chemische) Reaktion, bei der Energie von außen - z. B. in Form von Wärme, Licht, Elektrizität - zugeführt werden muss (Gegenteil: exotherme Reaktion)
  DetergentienAdditive in Schmierstoffen (wie Motoröl), die Ablagerungen lösen bzw. verhindern und eingetragene Säuren neutralisieren sollen (Schmutzlöser)
  KatalysatorStoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion beeinflusst, ohne dabei selbst verbraucht zu werden
  Enzyme(auch Fermente) Proteine, die biochemische Reaktionen katalysieren und eine wichtige Funktion im Stoffwechsel aller lebenden Organismen haben
  Drehrohrofenspezieller Ofentyp, in dem die Verbrennung in einem geneigten und rotierenden Rohr mit unterschiedlichen Temperaturzonen stattfindet
  Entzunderndas Entfernen der auf der Oberfläche von Stahl bei hohen Temperaturen gebildeten, aus Eisenoxiden bestehenden Zunderschicht, z. B. durch Beizen, Bürsten, Strahlen