IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1902 Chemisch-physikalische Behandlung von anorganisch belasteten Abfällen, Stand 11.08.2009

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Chemisch-physikalische Behandlung anorganisch belasteter Abfallflüssigkeiten

In der anorganischen Linie einer chemisch-physikalischen Behandlungsanlage (CPB) werden flüssige Abfälle und Dünnschlämme entsprechend ihrer Inhaltsstoffe behandelt, z. B.
  • gebrauchte Beizen und metallhaltige Konzentrate/Halbkonzentrate aus der Metalloberflächenbearbeitung und -beschichtung (1101),
  • Konzentrate aus der fotografischen Industrie (0901),
  • Konzentrate und Abwässer aus der Leder- und Textilindustrie (0401, 0402),
  • Konzentrate und Abwässer aus anorganischen chemischen Prozessen (0601, 0602, 0603),
  • Deponiesickerwasser (1907),
  • flüssige Abfälle aus der Sanierung von Grundwasser und Böden (1913).
Die CPB werden innerbetrieblich im Zusammenhang mit der Produktion oder extern zur Behandlung von Fremdabfällen betrieben. Aufgrund der vielfältigen Inputmöglichkeiten weisen die Rückstände eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung mit einer großen Bandbreite an teilweise gefährlichen Stoffen auf. Für die Beurteilung der Umweltrelevanz der Rückstände ist daher der Einzelfall zu betrachten, insbesondere das Annahmeprofil bzw. die Annahmebedingungen der Anlage sowie deren technische Ausstattung und Betriebsweise.

Ziel der chemisch-physikalischen Behandlung von flüssigen gefährlichen Abfällen ist
  • die Zerstörung bzw. Umwandlung giftiger Verbindungen, z. B. Chromate oder Nitrite,
  • die Neutralisation von Säuren und Laugen,
  • die Überführung löslicher Verbindungen in unlösliche, abscheidbare Produkte,
  • die problemlose Ableitung der gereinigten Abwässer und
  • die umweltverträgliche Entsorgung der anfallenden Abfälle.
Chemisch-physikalische Behandlungsanlagen können auch zur gezielten Rückgewinnung von den im Ausgangsmaterial befindlichen Wertstoffen, z. B. Edelmetalle, eingesetzt werden.

Die technischen Ausstattungen von CPB sowie deren technische Niveaus sind sehr unterschiedlich und primär auf die zu behandelnden Abfälle abgestimmt. Das Verfahrensprinzip ist jedoch bei nahezu allen Anlagen gleich und weist in der Regel folgende Bereiche auf:
  • Eingangskontrolle und Zuordnung der Flüssigkeiten zum Behandlungsstrang,
  • mechanische Abtrennung von Schweb- und Grobstoffen,
  • Oxidation bzw. Reduktion der cyanid-, nitrit- oder chromathaltigen Flüssigkeiten,
  • Neutralisation, Fällung sowie Abtrennung des Fällungsrückstands,
  • Endkontrolle und Ableitung.
Gegebenenfalls wird das Abwasser in einer zusätzlichen Stufe nachbehandelt, um umweltrelevante Schadstoffe geringer Konzentration zurückzuhalten, z. B. mittels Aktivkohle.

Der Betrieb der CPB erfolgt in der Regel chargenweise, um einen kontrollierten Verlauf der Behandlung und ein optimales Behandlungsergebnis sicherzustellen.

Schlämme aus der CPB 190205*/06

Die Schlämme entstehen bei der Fällung, in der Regel mit Natronlauge und/oder Kalkmilch, bei der die Metalle als Hydroxide bzw. Oxidhydrate ausfallen. Daneben finden sich - je nach spezifischen Bedingungen - schwerlösliche Sulfate, Phosphate, Silikate und Fluoride im Schlamm. Vereinzelt werden Metalle auch als Metallsulfide gefällt. Da die Niederschläge zum Teil feindisperser Natur sind, werden oftmals Flockungsmittel oder Flockungshilfsmittel zugegeben, die sich im Schlamm wiederfinden. In geringen Konzentrationen können organische Verbindungen aus den vorgelagerten Produktionsprozessen enthalten sein, z. B. Mineralöle, Fette, Komplexbildner oder Glanzzusätze.

Die bei der Fällung entstehenden Niederschläge sedimentieren zu einem Dünnschlamm mit ca. 3 - 5 % Feststoffgehalt. Bei der anschließenden mechanischen Entwässerung, z. B. mit einer Kammerfilterpresse, entsteht ein stichfester Schlamm mit ca. 30 - 40 % Trockensubstanz (TS). Bei einer anschließenden thermischen Behandlung, z. B. Warmlufttrocknung, können ca. 70 % TS erreicht werden. Die Zusammensetzung des Schlamms wird durch eine Vielzahl abfall- und verfahrensbedingter Parameter beeinflusst, u. a. durch Art und Zusammensetzung der zu behandelnden Konzentrate, Abtrennung und separate Behandlung von Teilströmen, Art und Weise des Fällungsprozesses und angestrebtem Entsorgungsweg.

Sonstige Abfälle 190211* (Adsorbermaterialien)

Falls erforderlich wird das nach der Filtration anfallende Abwasser in einem weiteren Schritt behandelt, um anorganische und organische Spurenverunreinigungen zurückzuhalten. Dabei kommen meistens Adsorptionsverfahren zur Anwendung, z. B. Aktivkohle oder Ionenaustauscher.

Anlagen mit Aktivkohle eignen sich insbesondere für gelöste Stoffe, die sich biologisch entweder sehr schwer oder gar nicht abbauen lassen. Sie bestehen zumeist aus einem zylindrischen Behälter, in dem das Abwasser eine Schicht gekörnter Aktivkohle (ca. 1 bis 3 mm Durchmesser) durchströmt. Die Aktivkohle reichert sich im Gebrauch mit den unerwünschten Wasserinhaltsstoffen an und muss nach einer bestimmten Zeit aus dem Filter entfernt und regeneriert oder entsorgt werden.

Die Ionenaustauscher sind ebenfalls Behälter, die überwiegend aus Stahl mit innerer Hartgummierung gefertigt sind. Im Behälter sind Drainagesysteme oder Düsenböden für den Ein- und Austritt der behandelten Flüssigkeit und der Regenerierlösungen eingebaut. In die Behälter werden Austauschharze eingefüllt. Die Harze weisen eine begrenzte Standzeit auf und müssen nach einigen Regenerationszyklen gegen neue ausgetauscht werden.

 

Charakteristische Zusammensetzung

Inhaltsstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
Schlämme aus der CPB 190205*/06
Originalsubstanz
Feststoffgehalt ca. 3 - 5 % Sedimentationsschlamm
Feststoffgehalt ca. 30 - 40 % Schlamm aus Kammerfilterpresse; i. d. R. stichfest
Feststoffgehalt > 70 % Thermisch getrockneter Schlamm; i. d. R. trocken, bröckelig
Nicht-Eisen-Metalle (bezogen auf Trockensubstanz) i. d. R. < 15 % Art und Gehalt abhängig vom Ausgangsmaterial und der Betriebsweise; am häufigsten sind Al, Cr, Cu, Fe, Ni, Zn; Bindungsform abhängig von der Behandlung, z. B. Hydroxide oder -sulfide
sonstige anorganische Stoffe Im wesentlichen bestimmt durch den Fällungsprozess, z. B. Ca, Cl, Na, S, Si
Gesamter organischer Kohlenstoffgehalt TOC < 3 % Art und Gehalt abhängig vom Ausgangsmaterial
sonstige organische Schadstoffe gering Art und Gehalt abhängig vom Ausgangsmaterial
Eluat
pH-Wert i. d. R. 8 - 9 beeinflusst durch Fällungsprozess
Abdampfrückstand i. d. R. < 5 g/l
Leitfähigkeit i. d. R. < 8.000 µS/cm
NE-Metalle Einzelwerte i. d. R. < 1 mg/l Unterschiedliche Eluierbarkeit, abhängig vom Metall, Fällungsprozess und die den Fällungsprozess beeinflussenden Stoffe
Anionen Je nach Ausgangsmaterial und Betriebsweise, z. B. Cl, F, NO3, SO4,
Kationen Je nach Ausgangsmaterial und Betriebsweise, z. B. NH4,
TOC i. d. R. < 200 mg/l
AOX i. d. R. < 0,5 mg/l

 

Hinweis
Die Filterschlämme 190205*/06 weisen - je nach Ausgangsmaterial sowie technischem Verfahren und Betriebsweise der CPB - sehr unterschiedliche Zusammensetzungen auf. Eine direkte Vergleichbarkeit der Filterschlämme einzelner CPB ist daher nur begrenzt möglich und setzt genaue Kenntnis der jeweiligen Annahmebedingungen und des technischen Verfahrens voraus. Die Zusammensetzung von Schlämmen aus CPB, die flüssige Abfälle unterschiedlicher Abfallerzeuger annehmen und behandeln, kann zuordnungsrelevante (gefährlicher / nicht gefährlicher Abfall) und entsorgungsrelevante (Deponieklasse) Schwankungen aufweisen.

Eine wesentliche Aufgabe der Betreibers ist in der Eingangskontrolle zu sehen, damit die flüssigen Abfälle dem richtigen Behandlungsstrang und -verfahren unterzogen werden und das in der CPB anfallende Abwasser sowie der Filterschlamm entsprechend der rechtlichen Vorgaben abgeleitet bzw. entsorgt werden können.

 

Glossar
  Beizechemische Lösung zur Oberflächenbehandlung von Metallen, Kunststoffen oder Holz
  OxidationTeil der Redoxreaktion, bei der ein Reaktionspartner Elektronen abgibt; früher: chemische Reaktion eines Stoffes mit Sauerstoff wie die Korrosion von Eisen zu Rost
  ReduktionTeil der Redoxreaktion, bei der ein Reaktionspartner Elektronen aufnimmt; früher: Abgabe einer Verbindung von Sauerstoff oder Aufnahme einer Verbindung von Wasserstoff
  Neutralisationallgemein: Mischen einer Säure und einer Base in wässriger Lösung bis pH = 7 (neutral); speziell in der Chemie: Reaktion gleicher Mengen einer Säure und einer Base (je nach Stärke kann pH 7 oder pH > 7 resultieren); Neutralisationsreaktionen verlaufen exotherm, d. h. Wärmeenergie wird frei
  FällungÜberführung löslicher Verbindungen durch Zugabe eines Fällungsmittels in unlösliche Fällungsprodukte (Niederschlag), z. B. Metallhydroxide oder -sulfide, die physikalisch mittels Sedimentation oder Filtration von der Flüssigkeit abgetrennt werden können
  FlockungVerfahren zur Fest-Flüssig-Trennung durch Zugabe eines Flockungsmittels, wobei sich die entstehenden Flocken entweder absetzen (Sedimentation) oder abfiltrieren lassen
  FlockungshilfsmittelHilfsmittel zur Verstärkung oder Beschleunigung der Flockung zu größeren Flocken