IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1908 Behandlung von industriellem Abwasser, Stand 30.11.2021

Schadstoffe und gefährliche Eigenschaften

 

 

Schadstoffe

Allgemein

Die in den Schlämmen vorkommenden Schadstoffe werden wie folgt eingeteilt:
  • Organische Schadstoffe: mögliche organische Einzelverbindungen, die auch analytisch als diese erfasst werden können, wie z. B. BTEX, PAK, als auch Summenparameter wie MKW, Glühverlust und TOC, die als Summe aller vorhandenen organischen Schadstoffe im Schlamm bestimmt werden.
  • Anorganische Schadstoffe: hierbei wird zwischen den unten aufgeführten Nichteisen-Metalle und sonstigen anorganischen Stoffen unterschieden.

Organische Inhaltsstoffe

Art und Gehalte organischer Schadstoffe in den Schlämmen aus der biologischen Abwasserbehandlung, die dem Abfallschlüssel 190811*/12 zugeordnet werden, und in den Schlämmen aus anderer Behandlung, die dem Abfallschlüssel 190813*/14 zugeordnet werden, sind herkunftsspezifisch und müssen im Einzelfall bestimmt werden.

Die bei der biologischen Behandlung anfallenden Schlämme, die dem Abfallschlüssel 190811*/12 zugeordnet werden, weisen herkunftsbedingt einen hohen Gehalt an Biomasse auf . Außerdem sind organische Schadstoffe, z. B. MKW, BTEX, LHKW, PAK, PCB, PFAS, in der Regel so gering, sodass eine Einstufung als gefährlicher Abfall nicht gegeben ist.

Die bei der anderen Behandlung anfallenden Schlämme, die dem Abfallschlüssel 190813*/14 zugeordnet werden, weisen herkunfts- und verfahrensbedingt einen geringeren Organikgehalt auf. Bei den organischen Schadstoffen kann der Gehalt an Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) im Einzelfall für die Abfalleinstufung relevant sein. Hingegen sind die Anteile sonstiger organischer Schadstoffe, z. B. PAK, PCB, in der Regel so gering, dass dadurch eine Einstufung als gefährlicher Abfall nicht gegeben ist. Umweltrelevante Auswirkungen durch organische Fällungsmittel auf Schlamm und Abwasser (z. B. Organosulfide) können nicht ausgeschlossen werden.

Im Einzelfall kann bei der Deklarationsanalyse des Schlamms nach der Deponieverordnung (DepV) der TOC sowie der DOC im Eluat zuordnungsrelevant sein. Ursache hierfür können insbesondere organische Fällungs- und Flockungshilfsmittel sowie gut wasserlösliche organische Stoffe, z. B. Alkohole, Glykole, sein.

Bei Einsatz bzw. Verdacht auf PFAS-haltige Stoffe im zu behandelnden Abwasser (z. B. aus der Galvanotechnik, Papierindustrie, Halbleitertechnik, Textilindustrie sowie bei Brandschäden mit Einsatz von PFAS-haltigen Löschmitteln, die ins industrielle Abwasser gelangen) ist der Schlamm der industriellen Abwasseraufbereitung auch auf PFAS zu untersuchen.

Anorganische Schadstoffe

Nichteisen-Metalle (NE-Metalle)

Die Nichteisen-Metallgehalte in den Schlämmen aus der biologischen Behandlung mit dem Abfallschlüssel 190811*/12 und in den Schlämmen aus anderer Behandlung mit dem Abfallschlüssel 190813*/14 sind herkunftsspezifisch und müssen im Einzelfall bestimmt werden.

In der Abfallart mit dem Abfallschlüssel 190811*/12 sind i. d. R. Blei, Chrom, Kupfer, Nickel und Zink vorherrschend. In vielen Fällen liegt die Summe der Nichteisen-Metallgehalte – analog zu kommunalem Klärschlamm – deutlich unter 1 %.

In der Abfallart mit dem Abfallschlüssel 190813*/14 sind ebenfalls Blei, Chrom, Kupfer, Nickel und Zink, seltener auch Zinn, vorherrschend. Sie liegen, abhängig vom Fällungsverfahren und Fällungsmittel, als Verbindung vor, insbesondere als Hydroxide oder Sulfide. Eisen- und Aluminiumsalze sind weit verbreitete Fällungs- und Flockungsmittel und können daher auch zu erhöhten Gehalten im Schlamm führen.

Zur Abfalldeklaration in Bezug auf die Gefährlichkeitseinstufung oder die Ablagerung der Abfälle sind die Metallgehalte im Feststoff bzw. im Eluat des Schlamms zu bestimmen.

Sonstige anorganische Schadstoffe

Nicht oder unvollständig entgiftete Schlämme, die dem Abfallschlüssel 190811*/12 und 190813*/14 zugeordnet sind, können beispielsweise Chrom-VI- oder Cyanid-Verbindungen enthalten,. Die Verbindungen sind als akut toxisch und gewässergefährdend einzustufen.

 

Gefährliche Eigenschaften

Gefährliche Abfälle sind in der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Von ihnen wird angenommen, dass sie mindestens eine gefahrenrelevante Eigenschaft nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG besitzen. Einige Abfallarten sind aufgegliedert in gefährliche (*) und in nicht gefährliche Abfälle (sogenannte Spiegeleinträge), bei denen die Einstufung als "gefährlich" vom Gehalt gefährlicher Stoffe abhängig gemacht wird.

Die Regelungen für den Abfallbereich beruhen u. a. auf den Rechtsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) und gelten seit dem 01.06.2015 im europäischen Recht. Im deutschen Abfallrecht ist die AVV durch die Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien geändert worden (siehe hierzu die Rubrik - Aktuelles zur AVV).

In der folgenden Tabelle wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht die vollständige Stoffeinstufung dargestellt, die bei Bedarf in Stoffdatenbanken, z. B. Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis der ECHA (EU), GESTIS (DE), GisChem (DE), GSBL (DE) oder IGS (NW), verlinkt im Quellenverzeichnis, nachgesehen werden kann.
Schadstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
190811* Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten; 190812 Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 11 fallen
NE-Metalle deutlich < 1 % aufgrund allgemein geringer Anteile keine Relevanz; Einzelfallbetrachtung in Abhängigkeit der Abwasserherkunft
organische Schadstoffe gering aufgrund allgemein geringer Anteile keine Relevanz; Einzelfallbetrachtung in Abhängigkeit der Abwasserherkunft
190813* Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten; 190814 Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 13 fallen
NE-Metalle < 10 % aufgrund allgemein geringer Anteile meist keine Relevanz; Ausnahmen sind Blei- und Cadmiumverbindungen, Sulfate und Sulfide der Metalle Blei, Cadmium, Kobalt und Nickel sowie Chrom-VI-Verbindungen und Nickeldihydroxid
organische Schadstoffe aufgrund allgemein geringer Anteile keine Relevanz; Einzelfallbetrachtung in Abhängigkeit der Abwasserherkunft

 

Auswertungen aus der Abfallanalysendatenbank ABANDA

In der folgenden Tabelle sind Links zur Abfallanalysendatenbank ABANDA angegeben, mit deren Hilfe Sie Informationen zur chemischen Zusammensetzung der Abfälle erhalten. Zu jeder Abfallart ist in der Tabelle die Anzahl der vorhandenen Analysen angegeben. (Bei weniger als 10 Analysen sind keine sinnvollen statistischen Auswertungen möglich und es wird deshalb nicht nach ABANDA verlinkt).
Abfallarten Anzahl der
Analysen
190811* Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten 66   Analytik
190812  Schlämme aus der biologischen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 11 fallen 6
190813* Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser, die gefährliche Stoffe enthalten 198   Analytik
190814  Schlämme aus einer anderen Behandlung von industriellem Abwasser mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 08 13 fallen 412   Analytik

 

Einstufung von Abfällen in gefährliche bzw. nicht gefährliche Abfälle

Die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthält 842 Abfallarten, davon sind 408 als gefährlich eingestuft und mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Allerdings wird nur ein Teil dieser Abfallarten als absolut gefährlich eingestuft. Bei 180 dieser gefährlichen Abfallarten kann alternativ auch eine als nicht gefährlich gekennzeichnete Abfallart ausgewählt werden, wobei dann von so genannten Spiegeleinträgen gesprochen wird.

Ein Abfall aus einem Spiegeleintrag wird im Abfallverzeichnis als gefährlich eingestuft, wenn dieser Abfall relevante gefährliche Stoffe enthält, aufgrund derer er eine oder mehrere der in Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG aufgeführten gefahrenrelevanten Eigenschaften HP1 bis HP8 oder HP10 bis HP15 aufweist. Das Vorliegen der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP9 wird angenommen, wenn Abfälle mit gefährlichen Erregern behaftet sind.

Bestimmte persistente organischen Schadstoffe (POP) können nach Nr. 2.2.3 in der Anlage zur AVV ebenfalls zu einer Einstufung als gefährlicher Abfall führen (siehe "Aktuelles zur AVV"). Enthalten Abfälle diese POP oberhalb der Grenzwerte gemäß Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 2019/1021 (POP-Verordnung) in der Fassung vom 20.06.2019, werden diese Abfälle als gefährlich eingestuft

Die Europäische Kommission hat einen Technischen Leitfaden zur Abfalleinstufung (2018/C 124/01) bekannt gemacht (siehe Quellen). Auch die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat Technische Hinweise zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit veröffentlicht (siehe Quellen). Die LAGA-Hinweise stellen vereinfachte Grenzwertlisten für den Fall bereit, dass keine genauen Informationen zur stofflichen Zusammensetzung der Abfälle vorliegen, um eine Gefährlichkeitseinstufung nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG durchführen zu können. Einige Länder haben die LAGA-Hinweise zur Anwendung empfohlen (siehe „Aktuelles zur AVV“) oder planen dies. Neben den LAGA-Hinweisen sind ggf. zusätzliche oder abweichende länderspezifische Anforderungen bei der Abfalleinstufung zu beachten.

Diese Informationen werden derzeit für IPA aufbereitet und sollen zukünftig wieder hier dargestellt werden.
NW - Nordrhein-Westfalen
  Hazard-Check

 

 

Hinweis
Aufgrund der vielfältigen Herkunftsmöglichkeiten industrieller Abwässer können die Schlämme eine große Bandbreite an gefährlichen Stoffen in unterschiedlicher Zusammensetzung enthalten. Für die Beurteilung der Umweltrelevanz der Schlämme ist daher der Einzelfall zu betrachten, insbesondere die produktionstechnischen Aspekte (Verfahren, eingesetzte Stoffe) sowie die technische Ausstattung und Betriebsweise der Abwasserbehandlungsanlage.

 

Glossar
  FlockungVerfahren zur Fest-Flüssig-Trennung durch Zugabe eines Flockungsmittels, wobei sich die entstehenden Flocken entweder absetzen (Sedimentation) oder abfiltrieren lassen
  PAKpolycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe aus mindestens zwei verbundenen aromatischen Ringen, die überwiegend bei unvollständiger Verbrennung entstehen (oft angelagert an Ruß) und meist eine hohe Toxizität und Persistenz aufweisen, z. B. Benzo[a]pyren
  PCBpolychlorierte Biphenyle, Stoffgruppe mit 209 Verbindungen, die früher u. a. in Trafo-, Wärmeträger- und Hydraulikölen sowie Weichmachern enthalten waren, unterfallen der POP-Verordnung (im Anhang I bzw. IV aufgeführt), da sie chronisch toxisch, bioakkumulierbar und persistent sind
  Komplexbildnerbinden Metallionen, so dass sich deren Verhalten (z. B. Reaktions- und Lösungseigenschaften) verändert
  EDTAEthylendiamintetraacetat, ein Komplexbildner
  CLPClassification, Labelling and Packaging (Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung)
  CLP-VerordnungVerordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006; gültig nur in der jeweils aktuellen Fassung auf Grundlage der regelmäßigen Anpassungen an den technischen Fortschritt durch entsprechende Anpassungsverordnungen
  StoffrichtlinieRichtlinie 67/548/EWG des Rates über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe
  HPhazardous property, 15 Gefährlichkeitskriterien aus Anhang III der Direktive 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie), die der Einstufung von Abfällen dienen, z. B. explosiv, brandfördernd, entzündbar, reizend, gesundheitsschädlich
  TOCtotal organic carbon (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff), Analytik-Parameter, der den Gehalt an organischen Inhaltsstoffen in einer Probe kennzeichnet
  NE-MetalleNichteisen-Metalle, alle Metalle außer Eisen sowie Legierungen, in denen Eisen nicht als Hauptelement enthalten ist (z. B. Kupfer, Zink, Aluminium, Gold, Bronze, Messing)
  PFASper- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, auch per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) und früher perfluorierte Tenside (PFT) genannt, zu denen auch PFOS und PFOA gehören; industriell hergestellte organische Fluorverbindungen, wasser-, fett- und schmutzabweisend, persistent, meistens bioakkumulativ und toxisch
  PFOSperfluorooctanesulfonic acid (Perfluoroctansulfonsäure), gehört zu den perfluorierten Kohlenwasserstoffen, ein PBT-Stoff   (persistent, bioakkumulativ und toxisch), dessen Verwendung auf bestimmte Einsatzbereiche beschränkt ist (POP-Verordnung)
  DOCdissolved organic carbon (gelöster organischer Kohlenstoff), der Teil des gesamten organisch gebundenen Kohlenstoffs (TOC), der bei Eluierung in Lösung geht
  BTEXKurzwort für die leichtflüchtigen aromatischen Kohlenwasserstoffe: Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol
  LHKWleichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe, niedrigsiedende halogenierte organische Verbindungen aus maximal 2 Kohlenstoffatomen, Oberbegriff für die Stoffgruppen der LCKW (leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe) und LFKW (leichtflüchtige fluorierte Kohlenwasserstoffe)
  TrockensubstanzTS, auch Trockenmasse (TM), nach einem festgelegten Trocknungsverfahren erhaltene Masse an fester Substanz; z. B. in g oder kg angegeben (DIN EN 12880)
  TrockenrückstandTR, Massenanteil einer Probe, der zurückbleibt, wenn die Probe unter festgelegten Bedingungen einem Trocknungsvorgang unterzogen wird; z. B. in % oder g/kg angegeben (DIN EN 15934)
  TrockensubstanzgehaltTSR, die in einem bestimmten Volumen erhaltene Trockenmasse; z. B. in g/l oder kg/m³ angegeben (DIN 4045)

 

Quellenverzeichnis
(Quellen, wenn nicht anders angegeben, in der aktuellen Fassung)
  EU - Europäische Union
  DE - Bundesrepublik Deutschland
  BW - Baden-Württemberg
  BY - Bayern
  BE - Berlin
  HE - Hessen
  NI - Niedersachsen
  NW - Nordrhein-Westfalen
  RP - Rheinland-Pfalz
  SN - Sachsen
  TH - Thüringen