IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1101 Chemische Oberflächenbearbeitung - Vorbehandlung, Stand 19.09.2017

Herkunft und charakteristische Zusammensetzung

 

 

Herkunft

Allgemein

Bei der Herkunft von Abfällen aus der galvanotechnischen Beschichtung wird allgemein zwischen vier Bereichen unterschieden:

  • Vorbehandlung (z. B. Reinigungs-, Entfettungs- und Beizprozesse)
  • Beschichtung (Verfahren der Metallabscheidung
  • Nachbehandlung (z. B. Chromatisierungs- und Versiegelungsprozesse)
  • Abwasserbehandlung

Die vier Bereiche sind anwendungsspezifisch ausgerichtet, z. B. nach Art des zu beschichtenden Werkstoffs, Qualitäts- und Reinheitsanforderungen.

Bei allen Beschichtungsverfahren hat die Vorbehandlung und Nachbehandlung der Werkstücke im Hinblick auf die Prozesssicherheit und qualitativ hochwertigen Beschichtung eine bedeutende Rolle.
Im Bereich der Vorbehandlung werden die Werkstücke vor der eigentlichen Metallabscheidung gründlich gereinigt, so dass diese eine reine und aktive Oberfläche (frei von Oxiden, Schmutz, Fetten, Ölen oder Salzen) aufweisen.

Den typischen Vorbehandlungsprozess in galvanotechnischen Betrieben gibt es allerdings nicht. I. d. R. ist dieser durch eine anwendungsspezifische Ausrichtung gekennzeichnet und abhängig von
  • der Art der Verunreinigung
  • dem Material und der Form des zu reinigenden Werkstücks
  • den Qualitätsanforderungen aus den nachfolgenden Bearbeitungsschritten
  • der Technik der Reinigung

Im Wesentlichen werden folgende Vorbehandlungsverfahren angewandt:
  • mechanische Reinigung (Entfernung von Schmutz und Oberflächendefekten durch Schleifen, Polieren oder Strahlen)
  • Entlackung (chemisch/mechanisch - Entfernung von vorhandenen Beschichtungen)
  • Entfettung (von Öl und Fettschichten)
  • Beizen, Dekapieren, Aktivieren (Entfernung von Oxidschichten, Erzeugung aktiver Oberflächen)

Häufig wird eine Entfettungsstufe und ein Beiz- oder Dekapierprozess zur Entfernung von Oxidschichten angewandt. Neben wässrigen Reinigungssystemen können nichthalogenierte organische Lösemittel (nHKW) sowie im Einzelfall chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) zum Einsatz kommen.

Das Entfetten dient hauptsächlich der Beseitigung von Öl, Fett und anderen organischen Stoffen, die sich auf der Werkstückoberfläche befinden. Zur Entfettung werden heute bevorzugt wässrige Reinigungssysteme eingesetzt. Diese können nahezu alle Reinigungsaufgaben erfüllen, sind aber nicht so universell einsetzbar wie organische Lösemittel und müssen daher auf den spezifischen Prozess abgestimmt werden. Als Komponenten der Reinigungsmittel kommen hauptsächlich Alkalien, Silikate, Phosphate und Tensidzusätze zum Einsatz. Halogenierte Kohlenwasserstoffe werden heutzutage zur Entfettung aufgrund der starken Reglementierung (Arbeits- und Umweltschutz) und des daraus resultierenden hohen apparativen Aufwandes nur noch sehr begrenzt eingesetzt. Ein universell einsetzbares, ökologisches Reinigungsmittel ist u. a. durch Cyanid-, Komplexbildner- oder auch Salzfreiheit gekennzeichnet.

Unter Beizen wird in der Metalloberflächenbehandlung allgemein das chemische Entrosten durch Mineralsäuren verstanden. Nach Eintauchen des Werkstücks in das Prozessbad charakterisiert sich der Vorgang über eine Oxidauflösung sowie Grundmetallauflösung und insgesamt über einer Reduktion der Metalloberfläche. Durch den Abtrag der Metalloberfläche können in dem Beschichtungsprozess störende Substanzen entfernt werden. Zur Behandlung von Stahl kommen z. B. saure Beizen wie Salzsäure, Schwefelsäure und Salpetersäure zum Einsatz. Aluminium- und Zinkwerkstoffe können sowohl in saurer als auch in alkalischer Lösung gebeizt werden. Aluminium wird vorzugsweise im alkalischen Bereich mit wässriger Natronlauge gebeizt. Beizsäuren werden im Allgemeinen organische Inhibitoren zugegeben, um den Beizangriff möglichst auf die oxidischen Verunreinigungen zu begrenzen und die Auflösung des Grundmaterials gering zu halten. Durch Zugabe von Tensiden kann den Beizbädern zusätzlich eine begrenzt entfettende Wirkung verliehen werden.
Um reine, aktive Metalloberflächen zu erhalten, schließt sich die Behandlungsstufe Dekapieren an. Hierbei werden dünne Oxid- und Anlaufschichten durch stark verdünnte Mineralsäuren entfernt.

Je nach gewünschtem Ergebnis kommen im Anschluss an die elektrolytische Metallabscheidung unterschiedliche Nachbehandlungsverfahren zum Einsatz. Eine Nachbehandlung erfolgt z. B., um den Korrosionsschutz des Werkstücks zu verbessern oder bestimmte Farbeffekte erzielen zu können.
Folgende Behandlungsschritte sind dabei möglich:
  • Passivieren, Eloxieren, Chromatieren (Korrosionsbeständigkeit erhöhen, Herstellung dekorativer Schichten)
  • Befetten (dünne Öl- oder Fettschicht für Korrosionsschutz oder Verbesserung der Gleiteigenschaft)
  • Entmetallisieren (Entfernen von Kontaktstellen der Gestelle oder fehlerhafter Teile)

Für das Chromatieren stehen Lösungen, je nach gewünschtem Ergebnis, in unterschiedlichen Zusammensetzungen zur Verfügung. Sie können Cr VI (vereinzelt) und Cr III, Nitrat-, Fluorid-, Sulfat-, Chlorid- oder Phosphatverbindungen enthalten. Zum Befetten werden öl-, fett- und lösemittelhaltige Bäder verwendet. Die Badinhaltstoffe sind vor allem als eine Emulsion aus Wasser und Öl zu verstehen. Anfallende Abfälle sind daher in den Bereich der Bearbeitungsemulsionen einzuordnen und werden im Steckbrief 1201 Bearbeitungsöle, -emulsionen und -lösungen beschrieben.

Verbrauchte Wirk- sowie Spülbäder aus Vorbehandlungs- und Nachbehandlungsstufen werden i. d. R. in der Abwasserbehandlungsanlage gereinigt. Dieser Abfallsteckbrief behandelt Abfälle aus sauren und alkalischen Beizprozessen sowie aus der Entfettung. Je nach Vor-/Nachbehandlungsverfahren können die Schadstoffeinträge ins Abwasser variieren. Ergänzende Informationen können zudem im Abfallsteckbrief 1101 Chemische Oberflächenbearbeitung - Galvanikschlamm nachvollzogen werden.

110105*/07* Verbrauchte Beizlösungen

Im Allgemeinen kann hierbei zwischen Beizlösungen aus der Vor- und Nachbehandlung von Werkstücken unterschieden werden, welche sich je nach Betriebsprozess, zu behandelndem Werkstück und gewünschtem Ergebnis differenzieren. Verbrauchte saure Beizen fallen sowohl bei der Vor- als auch Nachbehandlung an und enthalten freie Restsäuren (Salz-, Schwefel-, Salpeter-, Chrom-, Phosphor und Flusssäure sowie deren Mischungen), deren Salze aus den Legierungsbestandteilen der gebeizten Metalloberflächen (Eisen, Chrom, Nickel, Zink, Kupfer) sowie Beizinhibitoren. So wird z. B. bei der Behandlung von Kupfer Schwefelsäure verwendet, für Nickel sind vor allem Schwefel-, Salz- oder Salpetersäure relevant. Alkalische Beizen fallen üblicherweise nur beim Beizen von Aluminium im Rahmen einer Vorbehandlung an und enthalten im wesentlichen Natronlauge und die Metallionen der gebeizten Aluminiumlegierung. Insgesamt enthalten anfallende verbrauchte Beizlösungen die eingesetzten Beizmittel und die Metalle der gebeizten Werkstücke.

110106* Säuren a.n.g.

Hierunter werden vor allem saure verbrauchte Lösungen verstanden, die in ihrer Konzentration den ursprünglichen Säuren ähnlich sind, aber aufgrund der Anwendung und daraus resultierenden Verunreinigung entsorgt werden. Der Unterschied zu den sauren Beizlösungen ist vor allem durch die höhere Konzentration der Säure und somit über den pH-Wert begründet (pH-Wert <6).

110113*/14 Verbrauchte Entfettungsbäder

Insgesamt sind verbrauchte Entfettungsbäder mit fettemulgierenden Stoffen wie Laugen und Lösungen von Soda, Phosphaten, Tensiden belastet. Schmutzpartikel sowie Mineralöle können ebenso charakterisierend sein. Verbrauchte saure Entfettungsbäder können verdünnte Salz- und Phosphorsäure, Emulgatoren, Korrosionsschutzinhibitoren sowie freie und emulgierte Öle und Fette enthalten. Alkalische Entfettungsbäder enthalten Natriumhydroxid, Carbonate, Phosphate, Silikate, Tenside sowie freie und emulgierte Öle und Fette. Chlorierte organische Lösungsmittel können vereinzelt anfallen, sind aber heutzutage aufgrund einer strengen Reglementierung selten. In der Regel werden Entfettungsbäder kontinuierlich von störenden Stoffen befreit, insbesondere Abtrennung der Öle/Fette durch Ölabscheider oder Filtration, und weisen daher hohe Standzeiten auf.

 

Charakteristische Zusammensetzung

Inhaltsstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
110105*/07* Verbrauchte Beizlösungen
saure Beizbäder ~ 3 - 50 % Salz-, Schwefel-, Salpeter-, Chrom- und Flusssäure sowie deren Mischungen, Gehalt abhängig von den zu behandelnden Metallen
Metalle < 10 %TS Art ist abhängig vom Werkstoff; überwiegend Eisen und Kupfer; Gehalt ist abhängig von Säuremischung, Standzeit und qualitativen Anforderungen; bei reinen Eisenbeizen kann der Metallgehalt höher liegen
alkalische Beizen Laugenanteil < 25 %TS Natronlauge
110106* Säuren a.n.g.
Säuren pH-Wert < 6 Je nach Anwendungsfall Salz-, Schwefel-, Salpeter-, Chrom- und Flusssäure sowie deren Mischungen abhängig vom behandeltem Werkstoff
Metalle Ggf. je nach Anwendungsfall mit Metallen bzw, Metallsalzen des behandelten Werkstücks verunreinigt
110113*/14 Abfälle aus der Entfettung
Wassergehalt < 100 %TS ausschließlich voll entsalztes Wasser
Wirkstoffe saure Entfettung Summe ca. 5 %TS Salz- und Phosphorsäure, Emulgatoren, Inhibitoren
Wirkstoffe alkalische Entfettung Summe ca. 5 %TS Natriumhydroxid, Carbonate, Phosphate, Silikate, Tenside
Störstoffe Summe < 1 %TS Öle, Fette, mineralische/metallische Verschmutzungen

 

Glossar
  Beizinhibitorenchemische Substanzen, die bewirken, dass lediglich die Metalloberfläche von Verunreinigungen befreit wird, nicht aber das Metall als solches abgetragen wird
  Entzunderndas Entfernen der auf der Oberfläche von Stahl bei hohen Temperaturen gebildeten, aus Eisenoxiden bestehenden Zunderschicht, z. B. durch Beizen, Bürsten, Strahlen
  Dekapierenein Verfahren der Oberflächenreinigung metallischer Werkstücke, indem sie durch Eintauchen in stark verdünnten Mineralsäuren von alkalischen Elektrolytrückständen, Oxid- und Anlaufschichten befreit werden
  Passivierenin der Oberflächentechnik die spontane Entstehung oder gezielte Erzeugung einer Schutzschicht auf einem metallischen Werkstoff, welche die Korrosion des Grundwerkstoffes verhindert oder stark verlangsamt
  HalogenElemente der 7. Hauptgruppe des Periodensystems der Elemente, u.a. die Nichtmetalle Fluor, Chlor, Brom und Iod
  SilikateSalze und Ester der Ortho-Kieselsäure Si(OH)4 und höhermolekularer Kieselsäuren, aus Si(OH)4-Tetraedern aufgebaut
  PhosphateSalze und Ester der Ortho-Phosphorsäure H3PO4 und höhermolekularer Phosphorsäuren
  MineralsäurenSammelbezeichnung für Salz-, Schwefel- und Salpetersäure, häufig auch Phosphorsäure; ursprünglich alle Säuren, deren Salze in Mineralen auftreten, also auch Kohlensäure; z. T. auch als Sammelbezeichnung für alle anorganischen Säuren
  TensideSubstanzen, die die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit oder die Grenzflächenspannung zwischen zwei Phasen herabsetzen und die Bildung von Dispersionen ermöglichen und auch als Detergenzien (waschaktive Substanzen) die Schmutzlösung fördern
  Laugenim engeren Sinne wässrige Lösungen von Alkalihydroxiden, z. B. von Natriumhydroxid (Natronlauge) oder Kaliumhydroxid (Kalilauge), im weiteren Sinne jede wässrige Lösung von Basen (pH > 7)
  CarbonateSalze und Ester der Kohlensäure H2CO3
  Flusssäureauch Fluorwasserstoffsäure, die wässrige Lösung von Fluorwasserstoff (HF), die Glas angreift und aufgrund ihrer Lipidlöslichkeit bei einer Kontamination weit in den Körper eindringen und zum Tode führen kann