IPA - Home > Abfallsteckbrief - 1101 Chemische Oberflächenbearbeitung - Galvanikschlamm, Stand 18.09.2017

Schadstoffe und gefährliche Eigenschaften

 

 

Schadstoffe

Allgemein

Aufgrund der vielfältigen Verfahrensvarianten und den prozessbedingten Unterschieden in der galvanotechnischen Beschichtung ist mit unterschiedlichen Schadstoffen und -konzentrationen zu rechnen. Es ist daher stets der Einzelfall zu betrachten, um die gefährlichen Eigenschaften des Abfalls abschätzen zu können.

Schwermetalle

Die Nichteisen-Metalle (Ne-Metalle) in den Galvanikschlämmen 110109*/10 sind prozessbedingt. Häufig vertreten sind Chrom, Kupfer, Nickel und Zink, seltener auch Zinn. Sie liegen nicht in metallischer Form, sondern - abhängig vom Fällungsverfahren - als Verbindung vor, z. B. Hydroxide oder Sulfide. Blei und Cadmium kommen aufgrund der chemikalienrechtlichen Restriktionen nur noch in bestimmten Bereichen vor. An Basismetallen treten werkstoffbedingt Eisen und bei Eloxalbetrieben Aluminium auf.
Phosphatierschlämme 110108* sind je nach Prozess unterschiedlich belastet. Häufig vertreten sindZink und Nickel.

Die Konzentrationen der am häufigsten vorkommenden Metalle sind für eine Einstufung als Gefahrstoff nicht relevant. Lediglich bei Blei wäre bei einem Gehalt von > 0,5 % eine Relevanz gegeben (akut toxisch). Die meisten der in Frage kommenden Metallverbindungen sind nicht als Gefahrstoff einzustufen. Ausnahmen bilden Kupfer-II-hydroxid (akut toxisch, gewässergefährdend), Nickel-II-hydroxid (akut toxisch, gewässergefährdend, gesundheitsschädlich) sowie Nickelsulfat (akut toxisch, gewässergefährdend, gesundheitsschädlich).

Eluate und Schlämme aus Membran- und Ionenaustauschersystemen AS 110115* in Galvanikbetrieben enthalten Schwermetalle als gelöste Salze. Sie sind aufgrund ihrer Metallgehalte und deren Bioverfügbarkeit als gewässergefährdend einzustufen. Hierbei ist z. B. Nickelchlorid (WGK 3, gewässergefährdend) zu nennen.

Verbrauchte oder gesättigte Ionenaustauscherharze AS 110116* aus Galvanikbetrieben sind aufgrund ihrer Metallgehalte und deren Bioverfügbarkeit als gewässergefährdend einzustufen.

Anionen

Schlämme und Filterkuchen AS 110109*/10 können mit Cyaniden, Nitriten und Fluoriden belastet sein. I. d. R. werden diese während der Abwasserbehandlung in nicht gefährliche Verbindungen umgewandelt (z. B. Fluoride in schwerlösliches Calciumfluorid). Dennoch können nicht oder unvollständig entgiftete Schlämme Chrom-VI- oder Cyanid-Verbindungen, z. B. Kupfer-I-Cyanid, enthalten und sind als akut toxisch und gewässergefährdend einzustufen.

Organische Inhaltsstoffe

Schlämme und Filterkuchen AS 110109*/10 sowie Phosphatierschlämme AS 110108* weisen in der Regel Kohlenwasserstoffgehalte von < 3 % auf. EineEinstufung als Gefahrstoff ist daher nicht gegeben. Jedoch sind die Eluierbarkeit und die ggf. daraus resultierende Gewässergefährdung zu beachten.

 

Hinweis
Schlämme und Filterkuchen sind auf Metalle, Metallverbindungen und organische Bestandteile mit gefahrenrelevanten Eigenschaften zu prüfen. Schlämme, die die Grenzwerte des Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG) überschreiten, sind als gefährlicher Abfall einzustufen. Unvollständig behandelte Schlämme mit Cr-VI- oder CN-Verbindungen sind in jedem Fall als akut toxisch und gewässergefährdend einzustufen.

 

Gefährliche Eigenschaften

Gefährliche Abfälle sind in der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Von ihnen wird angenommen, dass sie mindestens eine gefahrenrelevante Eigenschaft nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG besitzen. Einige Abfallarten sind aufgegliedert in gefährliche (*) und in nicht gefährliche Abfälle (sogenannte Spiegeleinträge), bei denen die Einstufung als "gefährlich" vom Gehalt gefährlicher Stoffe abhängig gemacht wird.

Die Regelungen für den Abfallbereich beruhen u. a. auf den Rechtsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) und gelten seit dem 01.06.2015 im europäischen Recht. Im deutschen Abfallrecht ist die AVV durch die Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien geändert worden (siehe hierzu die Rubrik - Aktuelles zur AVV).

In der folgenden Tabelle wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht die vollständige Stoffeinstufung dargestellt, die bei Bedarf in Stoffdatenbanken, z. B. Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis der ECHA (EU), GESTIS (DE), GisChem (DE), GSBL (DE) oder IGS (NW), verlinkt im Quellenverzeichnis, nachgesehen werden kann.
Schadstoffe Gehalte / Konzentrationen Erläuterungen
110108* Phosphatierschlämme
NE-Schwermetalle 1-10% Metalle wie Zn oder Mn sind nicht als gefährlich eingestuft; Ni ist als gesundheitsschädlich mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung eingestuft
Kohlenwasserstoffe < 3 %TS aufgrund der geringen Konzentration keine Relevanz
Anionen (Cyanide, Nitrite, Fluoride) unvollständig entgiftete Schlämme können Cyanid-Verbindungen, z. B. Kupfer-I-Cyanid (akut toxisch, gewässergefährdend) enthalten
110109*/10 Schlämme und Filterkuchen
NE-Schwermetalle 3 - > 70 %TS (je nach Verfahren) gängige Metalle Cu, Cr und Zn sind nicht als gefährlich eingestuft; Ni ist als gesundheitsschädlich mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung eingestuft; kritischer zu bewerten sind die Kupferverbindungen, bei denen auch viele Hydroxide als gesundheitsschädlich (Verschlucken, Einatmung) und gewässergefährdend (Eluierbarkeit) eingestuft sind
Kohlenwasserstoffe < 3 %TS aufgrund der geringen Konzentration keine Relevanz
Anionen (Cyanide, Nitrite, Fluoride) unvollständig entgiftete Schlämme können Cyanid-Verbindungen, z. B. Kupfer-I-Cyanid (akut toxisch, gewässergefährdend) enthalten
110111*/12 wässrige Spülflüssigkeiten
NE-Schwermetalle gängige Metalle Cu, Cr und Zn sind nicht als gefährlich eingestuft; Ni ist als gesundheitsschädlich mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung eingestuft; kritischer zu bewerten sind die Kupferverbindungen, bei denen auch viele Hydroxide als gesundheitsschädlich (Verschlucken, Einatmung) und gewässergefährdend (Eluierbarkeit) eingestuft sind
Anionen (Cyanide, Nitrite, Fluoride) sind abhängig von Prozess und Betriebsweise u. U. als gesundheitsschädlich und gewässergefährdend eingestuft
110115* Eluate und Schlämme aus Membransystemen oder Ionenaustauschsystemen, die gefährliche Stoffe enthalten
NE-Metalle sind abhängig von Prozess und Betriebsweise u. U. als gesundheitsschädlich und gewässergefährdend eingestuft
110116* gesättigte oder verbrauchte Ionenaustauscherharze
NE-Metalle je nach Prozess und Betriebsweise als gesundheitsschädlich und gewässergefährdend eingestuft

 

Auswertungen aus der Abfallanalysendatenbank ABANDA

In der folgenden Tabelle sind Links zur Abfallanalysendatenbank ABANDA angegeben, mit deren Hilfe Sie Informationen zur chemischen Zusammensetzung der Abfälle erhalten. Zu jeder Abfallart ist in der Tabelle die Anzahl der vorhandenen Analysen angegeben. (Bei weniger als 10 Analysen sind keine sinnvollen statistischen Auswertungen möglich und es wird deshalb nicht nach ABANDA verlinkt).
Abfallarten Anzahl der
Analysen
110108* Phosphatierschlämme 230   Analytik
110109* Schlämme und Filterkuchen, die gefährliche Stoffe enthalten 1300   Analytik
110110  Schlämme und Filterkuchen mit Ausnahme derjenigen, die unter 11 01 09 fallen 109   Analytik
110111* wässrige Spülflüssigkeiten, die gefährliche Stoffe enthalten 348   Analytik
110116* gesättigte oder verbrauchte Ionenaustauscherharze 2

 

Einstufung von Abfällen in gefährliche bzw. nicht gefährliche Abfälle

Die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthält 842 Abfallarten, davon sind 408 als gefährlich eingestuft und mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet. Allerdings wird nur ein Teil dieser Abfallarten als absolut gefährlich eingestuft. Bei 180 dieser gefährlichen Abfallarten kann alternativ auch eine als nicht gefährlich gekennzeichnete Abfallart ausgewählt werden, wobei dann von so genannten Spiegeleinträgen gesprochen wird.

Ein Abfall aus einem Spiegeleintrag wird im Abfallverzeichnis als gefährlich eingestuft, wenn dieser Abfall relevante gefährliche Stoffe enthält, aufgrund derer er eine oder mehrere der in Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG aufgeführten gefahrenrelevanten Eigenschaften HP1 bis HP8 oder HP10 bis HP15 aufweist. Das Vorliegen der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP9 wird angenommen, wenn Abfälle mit gefährlichen Erregern behaftet sind.

Bestimmte persistente organischen Schadstoffe (POP) können nach Nr. 2.2.3 in der Anlage zur AVV ebenfalls zu einer Einstufung als gefährlicher Abfall führen (siehe "Aktuelles zur AVV"). Enthalten Abfälle diese POP oberhalb der Grenzwerte gemäß Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 2019/1021 (POP-Verordnung) in der Fassung vom 20.06.2019, werden diese Abfälle als gefährlich eingestuft

Die Europäische Kommission hat einen Technischen Leitfaden zur Abfalleinstufung (2018/C 124/01) bekannt gemacht (siehe Quellen). Auch die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat Technische Hinweise zur Einstufung von Abfällen nach ihrer Gefährlichkeit veröffentlicht (siehe Quellen). Die LAGA-Hinweise stellen vereinfachte Grenzwertlisten für den Fall bereit, dass keine genauen Informationen zur stofflichen Zusammensetzung der Abfälle vorliegen, um eine Gefährlichkeitseinstufung nach Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG durchführen zu können. Einige Länder haben die LAGA-Hinweise zur Anwendung empfohlen (siehe „Aktuelles zur AVV“) oder planen dies. Neben den LAGA-Hinweisen sind ggf. zusätzliche oder abweichende länderspezifische Anforderungen bei der Abfalleinstufung zu beachten.

Diese Informationen werden derzeit für IPA aufbereitet und sollen zukünftig wieder hier dargestellt werden.
NW - Nordrhein-Westfalen
  Hazard-Check

 

 

Glossar
  EluierbarkeitMöglichkeit, Substanzen aus einer stationären (flüssigen oder festen) Phase mit einer mobilen Phase (z. B. Wasser) herauslösen zu können
  CLPClassification, Labelling and Packaging (Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung)
  CLP-VerordnungVerordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006; gültig nur in der jeweils aktuellen Fassung auf Grundlage der regelmäßigen Anpassungen an den technischen Fortschritt durch entsprechende Anpassungsverordnungen
  StoffrichtlinieRichtlinie 67/548/EWG des Rates über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe
  EloxierenVerfahren zum Erzeugen einer harten und korrosionsbeständigen Aluminiumoxid-Schutzschicht auf Aluminiumteilen durch elektrolytische Oxidation der obersten Aluminiumschicht (= Anodisierung)
  HPhazardous property, 15 Gefährlichkeitskriterien aus Anhang III der Direktive 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie), die der Einstufung von Abfällen dienen, z. B. explosiv, brandfördernd, entzündbar, reizend, gesundheitsschädlich

 

Quellenverzeichnis
(Quellen, wenn nicht anders angegeben, in der aktuellen Fassung)
  EU - Europäische Union
  DE - Bundesrepublik Deutschland
  BW - Baden-Württemberg
  BY - Bayern
  BE - Berlin
  BB - Brandenburg
  HB - Bremen
  HH - Hamburg
  HE - Hessen
  NI - Niedersachsen
  NW - Nordrhein-Westfalen
  RP - Rheinland-Pfalz
  SL - Saarland
  SN - Sachsen
  ST - Sachsen-Anhalt
  TH - Thüringen